Flammen des Himmels
zum Hoftor hinaus.
Auf der Straße liefen die Kinder dem Wagen hinterher und johlten. »Hast wohl kein Geld mehr, Klüdemann, weil du verkaufen hast müssen?«, spottete ein Junge.
Klüdemann juckte es in den Fingern, dem Fuhrmann die Peitsche abzunehmen und sie dem Jungen um die Ohren zu ziehen. Da er den Bengel doch nicht erreichen konnte, starrte er mit finsterer Miene vor sich hin und beschloss, die spöttischen Bemerkungen zu überhören.
Anders als er begann seine Frau zu schimpfen und eilte sogar hinter ein paar Kindern her. Als sie dabei über einen hochstehenden Pflasterstein stolperte und stürzte, steigerte sich das Gelächter der Kinder ebenso wie das der Erwachsenen, so dass die Gruppe schließlich froh war, das Stadttor passieren zu können.
An dieser Stelle musste Klüdemann eine letzte Demütigung über sich ergehen lassen, denn einer der Stadtknechte reichte ihm ein Schreiben. »Das hier sollt Ihr auf Befehl des hohen Magistrats unterzeichnen.«
»Was soll das?«, fragte Klüdemann verwundert.
»Es geht darum, dass Ihr versichert, keine Schulden hinterlassen zu haben, für die die Bürgerschaft unserer Stadt aufkommen müsste.« Da Klüdemann mit dem Verkauf auch sein Bürgerrecht aufgegeben hatte, sah der Stadtknecht keinen Grund, besonders höflich zu ihm zu sein.
Klüdemann las das Schreiben, das im Grunde seine Zahlungsfähigkeit anzweifelte, mit wachsendem Grimm durch. Schließlich ergriff er die Feder, die der Stadtknecht ihm reichte, und setzte seinen Namen unter das Papier.
»Es gibt keine Schulden!«, blaffte er den Mann an, als er ihm das Dokument und die Feder zurückreichte.
»Mir soll es recht sein«, antwortete dieser gelassen.
Mit Klüdemanns Unterschrift konnte der Magistrat jedem, der ihm mit Forderungen kommen würde, erklären, dass er seinen Pflichten nachgekommen war und nicht für diese Schulden aufkommen müsse.
Für Klüdemann war es ein beschämender Abschied. Nun machte es sich bemerkbar, dass er um seines Glaubens willen nur die notwendigsten Kontakte in der Stadt geknüpft hatte und den christlichen Vereinigungen ferngeblieben war. Zwar war er noch nicht in den Verdacht geraten, ein Ketzer zu sein, dennoch war man froh, ihn loszuwerden, wie ihm nun schmerzhaft bewusst wurde. Am liebsten hätte er über den Magistrat und die hohe Bürgerschaft hergezogen. Da ihr Fuhrmann jedoch nicht ihrer Gemeinschaft angehörte, musste er vorsichtig sein und schwieg daher verdrossen.
Anders als er machte seine Frau ihrem Zorn Luft. Da sie ebenso wie Inken Hinrichs und deren Töchter hinter dem Wagen hergehen musste, konnte der Fuhrmann nicht verstehen, was sie sagte. Frauke versuchte trotzdem, die Frau zu bremsen, doch sie erntete nur einen Rippenstoß ihrer Mutter.
»Lass sie! Dann ist ihre Wut schneller verraucht. Sonst lässt sie es womöglich noch an uns aus.«
»Ich glaube kaum, dass sie uns noch schlechter behandeln kann, als es bereits der Fall ist«, antwortete Frauke bitter.
»Sie und ihr Mann hätten uns auch zurücklassen können, so dass wir allein und ohne Geld nach Münster hätten wandern müssen. Du kennst ja keinen richtigen Hunger! Ich aber habe schlimme Zeiten erleiden müssen, in denen wir die Rinde von den Bäumen geschält haben, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Daher sei endlich still und gehorche den beiden.«
Die Mutter versetzte Frauke einen zweiten Schlag, konnte deren nächste Bemerkung jedoch nicht verhindern.
»Ich glaube nicht, dass sie uns zurückgelassen hätten. Billigere Mägde als uns bekommen sie in Münster niemals. Außerdem würde Jan Bockelson nach uns fragen.«
»Der gute Jan Bockelson! Das ist ein Mann, wie man ihn sich nur wünschen kann.« Inken Hinrichs dachte seufzend an ihren eigenen Ehemann, der sich im Verlauf ihrer Ehe als Schwächling erwiesen hatte, welcher zu keiner eigenen Entscheidung fähig war. Vielleicht würde ihr ältester Sohn noch leben, wenn sie ihre Heimat sofort nach der Ankunft des Inquisitors verlassen hätten. Auch wäre sie dann nicht durch dessen Folterknecht geschändet worden.
Während Fraukes Mutter ihren Gedanken nachhing, schimpfte Mieke Klüdemann weiter über die ehemaligen Nachbarn, die sich ihren Worten zufolge als Natterngezücht erwiesen hatten, denen sie das himmlische Gericht und die nachfolgende ewige Verdammnis vergönnte.
4.
D as Gefühl, das Hinner Hinrichs in diesen Wochen beherrschte, war Angst. Zwar war es ihm und Helm gelungen, bei Glaubensbrüdern unterzukommen, doch
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