Flammen des Himmels
sind.«
»Es sei dir gewährt«, erklärte Matthys, ohne zu erwähnen, dass vor der Stadt bereits ein halbes Hundert Täufer darauf warteten, mit ihm zusammen nach Münster zu ziehen. Dort, so sagte er sich, würde er den Staat Gottes gründen, der nach der Wiederkunft Christi zum himmlischen Königreich erhoben würde. Als er tief in sich hineinhorchte, sah Matthys sich bereits neben dem Gekreuzigten sitzen und in dessen Namen über jene herrschen, die für würdig erachtet worden waren, das ewige Leben zu erlangen.
5.
L othar wunderte sich, dass sein Vater ihn nicht nach Telgte brachte, welches Franz von Waldeck so lange als Residenz dienen sollte, bis die Verhandlungen mit der Stadt Münster über die jeweiligen Rechte und Pflichten beendet waren. Auch war sein Vater nach der ersten harschen Kopfwäsche nicht mehr auf den Bordellbesuch und seine Trunkenheit eingegangen. Stattdessen saß Magnus Gardner mit verschlossener Miene auf seinem Pferd und mahlte manchmal mit den Kiefern, so als würde ihn etwas Unangenehmes bedrücken. Doch er befriedigte die unausgesprochene Neugier seines Sohnes nicht, sondern blieb ungewohnt schweigsam.
Am vierten Tag erreichten sie ein Gehöft bei Handorf. Es gehörte Leander von Haberkamp, einem entfernten Verwandten Gardners. Kaum sah dieser sie im Hof absteigen, eilte er ihnen erleichtert entgegen.
»Welche Freude, Euch zu sehen, Vetter! Ihr wisst gar nicht, wie willkommen Ihr mir seid. Man weiß wirklich nicht mehr, was man von der Entwicklung in Münster halten soll.«
»Darüber sollten wir reden, wenn wir weniger Zuhörer haben«, antwortete Gardner mit einem Seitenblick auf die Stallknechte, die eben herankamen, um ihre Pferde zu übernehmen.
»Ihr habt wie immer recht!« Haberkamp reichte ihm die Hand und musterte dann Lothar. »Ist das Euer Junge? Ein wenig gewachsen ist er ja, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
Haberkamp war gut einen Kopf größer als Lothar und mindestens doppelt so schwer. Nun schlug er dem jungen Mann grinsend auf die Schulter und erwartete, dass dieser einknicken würde. Doch Lothar blieb unbeirrt stehen.
»Ein Schwächling ist er jedenfalls nicht«, rief Haberkamp überrascht aus.
Dann wies er aufs Haus. »Kommt herein und wascht Euch erst einmal den Straßenkot ab. Wir treffen uns dann im Erkerzimmer. Dort lasse ich auftischen, denn Ihr habt gewiss Hunger von dem Ritt.«
»Den haben wir«, sagte Gardner, der wusste, dass sein Vetter, mit dem ihn seit frühester Jugend eine enge Freundschaft verband, diese Antwort erwartete. Er winkte Lothar, ihm zu folgen. Ein Diener führte sie in ein Zimmer, ein anderer brachte eine Schüssel mit Wasser, während eine adrette Magd knickste und fragte, ob sie den Herren behilflich sein könne.
»Mach keine Stielaugen«, raunte Gardner seinem Sohn zu und wies dann auf seinen Umhang. »Meine Reisekleidung und die meines Sohnes müssen gereinigt werden.«
Während die Magd mit den Mänteln und Jacken verschwand, wuschen Gardner und Lothar sich Hände und Gesicht, wechselten die Kleidung und folgten einem Diener in das Zimmer, in dem Leander von Haberkamp bereits auf sie wartete.
Gerade trugen Küchenmägde dort alles auf, was der ländliche Speiseplan zu bieten hatte. Zu trinken gab es Bier, das auf dem eigenen Hof gebraut wurde.
»Ein guter Trank!«, lobte Gardner nach dem ersten Schluck und widmete sich dann dem Schinken und den Würsten, die mit reichlich Grünkohl serviert wurden. Was ihn auch immer bewegen mochte, es hatte ihm nicht den Appetit verschlagen, denn er aß reichlich und mit Genuss.
Lothar hingegen musste sich zwingen, eine Portion zu essen, die ihr Gastgeber als ausreichend ansah.
»Was hört man Neues aus Münster?«, fragte Gardner nach einer Weile.
Haberkamp verzog angewidert das Gesicht. »Man hört viel, aber nichts Gutes. Stutenbernd Rothmann trotzt offen dem Rat, und die Gilden halten zu ihm – aber nicht nur des Glaubens wegen, würde ich sagen. Sie verargen es den Klöstern und dem Domkapitel schon lange, dass diese auf ihrem Besitz Handwerker arbeiten lassen, die keine Steuern an die Stadt zahlen müssen. Da diese ihre Waren billiger erzeugen können als die Mitglieder der Gilden, sind sie denen natürlich ein Dorn im Auge.«
»Es ist immer das Gleiche. Die Leute schieben den Glauben vor, um einen anderen Vorteil zu erringen. Doch wenn die Lunte nicht bald ausgetreten wird, kann es bitter für das ganze Land werden.« Gardner seufzte und ließ sich den Bierkrug
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