Flammen im Sand
arbeiten.«
»Als Model, ich weiÃ.«
»Das meine ich nicht. Sie soll beim Nähen helfen, weil sie sich gut
damit auskennt. Knöpfe annähen, Kragen bügeln, vielleicht auch mal die eine
oder andere gerade Naht ⦠Im Modeatelier ist jemand ausgefallen. Meine Schwiegermutter
hat noch nie eigenes Geld verdient. Sie ist total aus dem Häuschen.« Dann gab
er es auf, Sören etwas vorzumachen, der ihn vermutlich sowieso durchschaute.
»Was ist? Haben Sie endlich was gefunden?«
Sören schob wütend die Tastatur zurück und warf sich gegen seine
Stuhllehne. »Nichts!«
»Gar nichts?«
»In der fraglichen Zeit ist auf Sylt keine Frau vermisst gemeldet
worden.«
»Dann müssen Sie den Zeitraum länger fassen.«
»Habe ich. Fehlanzeige!«
»Dann weiten Sie Ihre Suche aus. Auf ganz Deutschland. Es kann
jemand sein, der nicht auf Sylt wohnte, aber hier Urlaub gemacht hat. Und
währenddessen verschwand.«
»Trotzdem kein Ergebnis! Keine einzige Vermisstenmeldung, die auf
unseren Fall passt! Alle haben sich auf die eine oder andere Weise erledigt.«
Er klopfte so zornig auf die Returntaste, als könnte er den Computer zwingen,
ein Ergebnis zu melden.
»Das kann doch nicht sein«, sagte Erik. »Jeder Mensch wird vermisst,
wenn er verschwindet. Eine junge Frau in den DreiÃigern! Die hat Familie,
Angehörige, Freunde, Kollegen â¦Â«
»Trotzdem finde ich nichts.«
Sie sahen sich ratlos an, dann sagte Erik: »Schauen Sie sich bei den
männlichen Vermissten um. Vielleicht hat Dr. Hillmot sich geirrt.«
Sören war für kurze Zeit versöhnt. Doch schon bald musste er
feststellen, dass diese Suche ebenso vergeblich gewesen war wie die erste.
»Wenn wir die Identität der Toten nicht kennen, wie sollen wir dann ihren
Mörder finden?«
Auf diese Frage hatte Erik keine Antwort. Er war noch vollauf mit
der Frage beschäftigt, wie ein Mensch verschwinden konnte, ohne dass er von
jemandem als vermisst gemeldet wurde. »Können Sie sich vorstellen, dass es
Menschen gibt, die ganz ohne soziale Kontakte sind?«
Sören schüttelte den Kopf. »Jeder lebt von irgendwas. Sie muss eine
Arbeit gehabt haben. Also auch Kollegen und Vorgesetzte.«
»Sie könnte freiberuflich tätig gewesen sein. Freie Journalistin,
Schriftstellerin â¦Â«
»Und niemandem fällt auf, wenn sie plötzlich nichts mehr liefert?
Keine Texte? Keinen neuen Roman?«
Erik ging zum Fenster und sah hinaus. »Man versucht sie zu
erreichen, spricht ihr auf die Mailbox, aber da sie nicht zurückruft, wird sie
vergessen.«
»Oder sie war arbeitslos.«
»Und nachdem sie sich nicht mehr beim Arbeitsamt gemeldet hat,
wurden die Zahlungen eingestellt. Basta!«
»Das würde immer noch bedeuten, dass sie darüber hinaus keinerlei
Sozialkontakte hatte.«
»Oder nur lose. Keine Familienangehörigen, keine wirklichen
Freunde.« Erik starrte einer leeren Bierdose nach, die über den Kirchenweg
sprang, auf der Flucht vor einer heftigen Bö. »Gibtâs so was?«
Sören schüttelte den Kopf. »Was ist mit ihrer Wohnung? Da stehen
ihre Möbel, in den Schränken liegen ihre Sachen.«
»Die Miete wird fällig.«
»Und nicht gezahlt.«
»Was tut der Vermieter, wenn die Miete nicht kommt?«
»Sie kommt, wenn ein Dauerauftrag eingerichtet wurde.«
»Aber irgendwann ist kein Geld mehr da, und die Bank sperrt das
Konto.«
»Das kann dauern. Wenn viel Geld auf dem Konto ist, mehrere Monate.
Vielleicht länger.«
»Aber dann â¦Â«
»Dann muss dem Vermieter auffallen, dass die Miete nicht mehr
kommt.«
»Das dauert keine vier bis sechs Jahre.«
Enno Mierendorf, Polizeimeister des Reviers, kam herein und wollte
sich eigentlich nur nach seinem Locher umsehen, den er vermisste. Aber er kam
gerade recht, um die Frage zu beantworten, auf die Erik und Sören keine Antwort
wussten. »Gibtâs das, dass jemand verschwindet, und keiner merkt es?«
Mierendorf kratzte sich lange am Kopf, musste dann aber die Antwort
schuldig bleiben. Und Obermeister Rudi Engdahl, Mierendorfs Kollege, war
genauso ratlos, als er von dem neuesten Fall des Kommissariats hörte. »Ein
Mensch, der nicht vermisst wird? Von niemandem? Traurig ist so was.«
Carlotta Capella ging zur Arbeit! Das war noch nie vorgekommen.
Bisher hatte sich die Arbeit vor
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