Flammen im Sand
wollte?«
»Egal! Der wurde ebenfalls vor fünf Jahren geleert.«
Sören blätterte Mappe für Mappe durch, während Erik die Fotoalben,
denen er sich eigentlich widmen wollte, stehen lieà und sich umsah. »Schön ist
dieses Zimmer nicht gerade«, sagte er nach einer Weile. »Wenn man bedenkt, wie
groÃzügig und teuer der Rest des Hauses eingerichtet ist.«
»Vielleicht ist das die Handschrift der schönen Französin«, meinte
Sören achselzuckend.
Erik zuckte mit den Schultern. »Aber in diesem Zimmer durfte sie
vielleicht nichts erneuern?«
»Oder sie wollte nicht.«
»Dieser hässliche Schrank! Die uralten Gardinen! Sehen Sie sich
diesen fleckigen Teppichboden an!« Erik schüttelte den Kopf. »Und die
altmodischen Tapeten! Ich glaube, die hängen schon seit fünfzig Jahren an der
Wand!«
Sören nickte. »Ich weiÃ, dass Pedersen das Haus renovieren lieÃ, als
seine Eltern gestorben waren. Sieht so aus, als hätte er dieses Zimmer
vergessen.«
»Oder als hätte der Aufwand für seine Frau nicht gelohnt.«
Wieder nickte Sören. »Sie haben ja gehört, was er sagte: Elske hat
sich nie fürs Geschäft interessiert. Kinder hat sie auch nicht bekommen. Da
durfte sie wohl auch keine Ansprüche stellen. Aquarellmalerei gehörte
sicherlich nicht zu den Leistungen, die Jannes honoriert hat.«
Erik hob ein Bild vom Boden auf. Mit ausgestreckten Armen hielt er
es vor sich hin. Er verstand zu wenig von Malerei, um die Qualität beurteilen
zu können. Nur dass ihm das Bild nicht gefiel, konnte er sagen. Elske hatte den
Ausblick festhalten wollen, der sich ihr bot, wenn sie aus dem Fenster schaute.
Aber die Dünen sahen aus wie grüne Hügel, die es auch im Sauerland geben
mochte, und der Himmel darüber konnte sich über jedem x-beliebigen Landstrich
wölben. Das Bild verriet nichts von den Gefühlen der Malerin. Auch über das
Besondere der Landschaft sagte es nichts aus. Dass Elske diese Aussicht nicht
geliebt hatte, entdeckte Erik erst, als er ein weiteres Bild in Augenschein
nahm. Auch dieses zeigte den Ausblick auf die Dünen, aber er war durch ein
filigranes Gitternetz verstellt worden. War dieses Zimmer für Elske Pedersen
ein Gefängnis gewesen? Dieses Haus? Ihre Ehe?
Die Tür öffnete sich, und Jannes Pedersen erschien auf der Schwelle.
Wieder blieb er stehen, als traute er sich nicht in das Zimmer hinein. Er
reichte Erik den Brief, den Elske ihm hinterlassen hatte. »Hier!«
Sören entnahm einem Aktenordner ein Blatt. »Ein Lebenslauf!
Handgeschrieben!« Er reichte ihn Erik, der steckte ihn zu dem Brief in eine
Klarsichthülle und legte sie beiseite.
»Was wollen Sie damit?«, fragte Jannes und tastete sich Schritt für
Schritt wieder zur Tür.
»Wir werden ein grafologisches Gutachten in Auftrag geben«, erklärte
Erik, »damit wir wissen, ob dieser Abschiedsbrief wirklich von Ihrer Frau
geschrieben wurde.«
»Und wenn Sie wissen, dass sie ihn geschrieben hat? Hören Sie dann
auf, mich anzusehen, als hätte ich sie umgebracht?«
»Das tun wir doch gar nicht«, behauptete Erik schnell. So schnell
wie jemand, der bei einem Gedanken ertappt wird, für den er sich schämt.
»Ich habe kein Motiv!«, erklärte Jannes. »Warum hätte ich Elske
umbringen sollen?«
»Waren Sie glücklich verheiratet?«
»Wer ist das schon? Zoff gibtâs überall!«
»Also keine glückliche Ehe?«
»Eine Ehe wie viele andere. Jedenfalls ⦠jedenfalls habe ich meine
Frau geliebt.«
»Waren Sie ihr treu?«
»Warum fragen Sie mich nicht, ob meine Frau mir treu war?«
»Ich frage Sie beides.«
»Und ich beantworte Ihnen beide Fragen nicht.«
»Sie sind nicht besonders kooperativ.«
»Nicht, solange Sie mich behandeln, als wäre ich ein Mörder.«
»Dann helfen Sie mir, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.«
»Das ist nicht mein Job. Dafür sind Sie zuständig.«
Erik betrachtete Jannes Pedersen, den bulligen Körper, die derben
Hände, die sich nervös öffneten und schlossen, den kurzen Hals, den breiten
Schädel. Trotz seiner Grobschlächtigkeit war er nicht ohne Attraktivität. Sein
Gesicht war markant, seine Augen von einem hellen Braun, das ihnen einen
sanften Ausdruck verlieh und in denen die Wut, die ständig in ihm brodelte,
häufig
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