Flammen im Sand
waren nun die ersten Martinshörner zu vernehmen. Die
Streifenwagen hielten neben der Norddörfer Halle, schon sprangen die Beamten
heraus und stürmten auf das Feld, über das dichter Qualm wehte. Die Feuerwehrmänner
hatten ganze Arbeit geleistet. Die Biike war zwar noch nicht gelöscht, aber das
Feuer war daran gehindert worden, sich auszubreiten, darauf kam es an. Nun
musste die Stelle, die Mamma Carlotta entdeckt hatte, nur noch ausgekühlt und
zugänglich gemacht werden.
Erik hustete in sein Taschentuch. Der Qualm wurde dichter und
beiÃender. Was würde er zu sehen bekommen, wenn er die Zweige zur Seite schob?
Er zwang sich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, aber eigentlich war ihm
klar, in welches Gesicht er blicken würde.
Wieder zog er sein Handy aus der Tasche und alarmierte diesmal den
Gerichtsmediziner und die kriminaltechnische Untersuchungsstelle. »Vergesst die
Scheinwerfer nicht!«
Die Rufe der Polizisten entfernten sich allmählich, wurden immer
schwächer. »Weiter, meine Herrschaften! Weiter! Bitte nicht stehen bleiben!
Verlassen Sie das Gelände zügig!«
In unmittelbarer Nähe wurde es ruhiger, die Polizisten hatten mit
rot-weià gestreiften Bändern und Stangen den Weg markiert, den die
Schaulustigen nehmen sollten, damit der Fundort der Leiche unversehrt blieb.
Ein Verkehrspolizist trat zu Erik. »Die Rollstuhlfahrerin hat
Schwierigkeiten durchzukommen. Ist es okay, wenn sie den Weg zurück nimmt, den
sie gekommen ist?«
Erik nickte und sah Marikke Tadsen entgegen, deren Rollstuhl von
ihrem Mann geschoben wurde. Wilko hielt den Blick gesenkt, als wollte er nichts
sehen, als hätte er Angst vor dem, was geschehen war. Neben den beiden ging
Geraldine Bertrand. Bleich sah sie aus, ihre Augen waren unnatürlich groÃ. Sie
zeigte auf die Biikezweige, von denen der Rauch aufstieg. »Haben Sie meine
Schwester gefunden?«
Erik beantwortete ihre Frage nicht. Sanft griff er nach ihrer
Schulter und schob sie weiter. »Fahren Sie nach Hause! Warten Sie dort! Ich
komme zu Ihnen, sobald ich kann.«
»Ich will nicht weg! Ich warte hier!«
»Nicht an dieser Stelle«, sagte Erik mit aller Bestimmtheit. »Meinetwegen
können Sie in der Halle warten. Aber das kann dauern, bis wir hier fertig
sind.«
Ihre Gestalt war noch lange vor den Scheinwerfern der Streifenwagen
zu erkennen. Sie wurde erst verschluckt, als Geraldine sich durch die Wagen
hindurchgedrängt hatte.
Dass Mamma Carlotta noch in der Nähe war, bemerkte Erik erst jetzt.
»Wieso bist du nicht mit den Kindern nach Hause gegangen?«, fragte er
ärgerlich. »Was machst du noch hier?«
»Ich habe die Leiche entdeckt«, entgegnete seine Schwiegermutter
empört. »Ich bin eine Zeugin! Da kann ich doch nicht einfach gehen!«
Dazu hätte Erik gern einiges gesagt, aber in diesem Augenblick trat
die Staatsanwältin zu ihm. Und da sie Mamma Carlotta einen fragenden Blick
zuwarf, kam er nicht umhin, ihr seine Schwiegermutter vorzustellen. Etwas, was
er unbedingt hatte vermeiden wollen.
»Sie waren es, die die Leiche entdeckt hat?«, fragte die
Staatsanwältin und sah tatsächlich beeindruckt aus.
Erik mochte sich nicht vorstellen, wie oft er sich demnächst würde
anhören müssen, dass Carlotta Cappella etwas gelungen war, was einer
Staatsanwältin imponiert hatte. Seine Schwiegermutter war ohnehin leicht zu
beeindrucken, ganz besonders von gebildeten Menschen und erst recht von Frauen
mit akademischer Bildung, die es noch dazu zu einem hohen Rang gebracht hatten.
Mamma Carlotta genoss für ein paar Augenblicke ihre Bedeutung in vollen Zügen.
Doch dann erinnerte sie sich anscheinend daran, welchen Ãrger Erik schon mit
der Staatsanwältin gehabt hatte. Er atmete heimlich auf. Einer Frau, die ihrem
Schwiegersohn Angst machen konnte, vertraute sie zum Glück nicht ihre
Lebensgeschichte an und erwähnte auch mit keiner Silbe den entfernten
Verwandten, der ein Theologiestudium hinter sich gebracht hatte und nun an
einer römischen Universität lehrte. Er war der bei Weitem erfolgreichste
Verwandte Mamma Carlottas, sein Name wurde sonst gern eingeflochten, wenn Eriks
Schwiegermutter es mit Menschen zu tun hatte, die ihr imponierten. Wenn sie nun
noch darauf verzichtete, mit vielen Worten zu schildern, welche Angst sie
gehabt hatte, dass der arme Hund ein Opfer des Biikefeuers werden würde, und
ihr
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