Flammen im Sand
zu
verstehen, was gesungen wurde. »âºÃüs Sölâring Lönâ¹Â«!
Aber verstanden hätte sie vermutlich auch dann nichts, wenn die
Sylter Hochdeutsch gesungen hätten, so verlegen, wie sie die Melodie
herausdrucksten, statt jedes Wort, jeden Vokal in den Himmel zu jubeln!
Doch schlieÃlich war es überstanden, und der Ruf erscholl, auf den
alle warteten: »Tjen di Biiki ön!«
Auch darauf hatte Erik sie vorbereitet. Die Biike wurde angezündet,
schon schossen die ersten Flammen in die ausgetrockneten Zweige der entnadelten
Weihnachtsbäume. Nach und nach wurden die Wachsfackeln in die Biike geworfen,
ein Raunen ging durch die Menge, ein Lachen, als ein flacher Karton vom Druck
des Feuers emporgetragen wurde. Und dann ⦠dann sah Mamma Carlotta den Hund. Es
war ein groÃer, schöner Hund! Er kümmerte sich nicht um das Knistern und
Prasseln, um die züngelnden Flammen, um die Glut, die sich zu den Zweigen fraÃ,
an denen er schnupperte und herumzerrte. Nun versuchte er den rechten
Vorderlauf zu heben, aber vergeblich. Hatte er sich etwa verfangen? Konnte er
sich nicht aus den Zweigen lösen?
»Madonna! Il cane!«
Mamma Carlotta stürzte auf den Hund zu, verfolgt von warnenden
Stimmen. Ein Feuerwehrmann rannte ihr nach, versuchte, sie zurückzuziehen. Aber
das Feuer hatte zum Glück zunächst andere Nahrung gefunden. Die Zweige, an
denen der Hund noch immer aufgeregt herumschnupperte, waren frischer als die
Weihnachtsbäume, sie würden der zweite Happen des Feuers werden, wenn der erste
verschlungen war.
»Stopp!«, schrie der Feuerwehrmann.
Aber Mamma Carlotta war nicht zu halten. Schon griff sie nach dem
Halsband des Hundes, da sah sie, dass seine Leine sich tatsächlich verfangen
hatte. Ein kurzes Lockern, ein verzweifeltes Zerren, und schon löste sich die
Leine vom Halsband, der Hund war frei. Doch er lief nicht zurück, wie Mamma
Carlotta es erwartet hatte. Aufgeregt schnüffelte er weiter herum, und da ⦠da
sah Mamma Carlotta es. Etwas Schreckliches! So grauenhaft, dass sie eine Weile
brauchte, um es zu begreifen.
Dann aber schrie sie den Feuerwehrmann an: »Löschen! Sofort
löschen!«
Und Mamma Carlotta stand immer noch da und starrte die Hand an, die
unter den Biikezweigen hervorsah.
Dass er nicht so flott war wie seine Schwiegermutter,
wusste Erik längst, dass nun aber auch die Staatsanwältin schneller reagierte
als er, erbitterte ihn. Frau Dr. Speck würde ihm seine
Schwerfälligkeit noch jahrelang vorhalten, wenn sie gemerkt hätte, dass er als
Letzter dort angekommen war, wo Mamma Carlotta den Hund gerettet und
gleichzeitig eine Entdeckung gemacht hatte. Beides wäre anscheinend in Flammen
aufgegangen, wenn sie nicht zur Stelle gewesen wäre.
»Löschen! Löschen!«, hörte er seine Schwiegermutter rufen.
Der Feuerwehrmann, der auf sie aufmerksam geworden war, schien immer
noch an einen üblen Scherz zu glauben. Erst als die Staatsanwältin mit
funkelnden Augen zu ihm herumfuhr, begriff er, dass tatsächlich Handlungsbedarf
bestand.
»Wasser marsch!«, ertönte sein Ruf. Und er setzte sich fort: »Wasser
marsch!« So lange, bis ein langer Schlauch entrollt worden war, dessen Spitze
auf die Stelle gelenkt wurde, von der Mamma Carlotta sich Schritt für Schritt
entfernte, weil die Flammen ihr immer näher kamen und die Hitze unerträglich
wurde. Aber immer noch wies sie auf die Stelle, wo eine Hand unter den
Biikezweigen hervorsah. Stefan Lürsen hielt seinen Hund am Halsband fest und
trat zur Seite, Mamma Carlotta jedoch schien zu glauben, dass sie den Ort des
Grauens erst verlassen durfte, wenn jeder gesehen hatte, was sich dort unter
den Biikezweigen verbarg.
Erik warf nur einen kurzen Blick auf die schmale, weiÃe Hand, dann
griff er nach Mamma Carlottas Arm und schob sie zur Seite. »Zurück!«, schrie
er. »Das Feuer! Das Löschwasser â¦!«
Die letzte Warnung kam zu spät. Aber immerhin sorgte sie dafür, dass
seine Schwiegermutter sich mit einem Sprung, der für ihr Alter beachtlich war,
in Sicherheit brachte. So traf der Wasserstrahl der Feuerwehrmänner sie nicht
mit voller Wucht. Auch deswegen nicht, weil sie instinktiv hinter Eriks Rücken
Schutz gesucht hatte, der auch hier mal wieder langsamer gewesen war. Er stand
da wie ein begossener Pudel, und die Umstehenden, die noch nicht begriffen
hatten, worum
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