Flammen über Arcadion
Templer hätten dich gefangen genommen – oder vielleicht sogar getötet.«
Pitlit schüttelte den Kopf. »Nein, die waren so froh, Carya gefasst zu haben, dass ich ihnen plötzlich völlig egal war. Die … « Er brach ab, und sein Gesicht nahm einen bekümmerten Ausdruck an. »Oh, verflixt, tut mir leid. Wusstest du das eigentlich schon? Dass die Kerle Carya entführt haben?«
Jonan nickte. »Ich habe mich am Rand des Dorfplatzes aufgehalten, als es geschah. Aber es waren einfach zu viele. Ich konnte nicht eingreifen. Was ist eigentlich passiert? Ich habe gesehen, dass Carya aus einer Seitengasse geschleppt wurde. Seid ihr nicht im Haus geblieben?«
»Nur so mehr oder weniger«, gestand Pitlit. Dann schilderte der Junge in kurzen Worten, was sich während des Kampfes zugetragen hatte. »Du hättest sie sehen sollen«, schloss er am Ende mit leuchtenden Augen. »Es war unglaublich. Dieser Sprung vom Dach und dann die Rolle und – peng – hatte sie den beiden Kerlen dieses Schockding verpasst. So was hab ich echt noch nie erlebt!«
Ganz sicher war sich Jonan nicht, ob er Pitlits Ausführungen für bare Münze nehmen sollte. Er wusste, dass Carya eine gute Schützin war, aber solche Tricks, wie sie der Straßenjunge hier beschrieb, klangen doch reichlich fantastisch für ein gewöhnliches Schulmädchen. »So oder so«, erwiderte er seufzend, »hat es sie leider nicht davor bewahrt, gefangen genommen zu werden.«
»Nein, das ist wahr.« Pitlit machte ein trübseliges Gesicht. »Was unternehmen wir jetzt? Reisen wir den Schurken nach?«
»Worauf du dich verlassen kannst«, bestätigte Jonan. »Allerdings habe ich noch nicht die geringste Ahnung, wie ich Carya befreien soll.«
Von links näherte sich Nessuno ihnen. »Begleiten Sie mich? Ordun versammelt alle am Dorfplatz. Er will über den Angriff reden und was nun geschehen soll.«
»Wir kommen«, gab Jonan zurück.
Gemeinsam liefen sie zum Dorfplatz zurück. Die meisten Mutanten hatten sich dort bereits eingefunden. Es waren kaum noch hundert Leute, darunter viele Frauen und Kinder, die sich während des Angriffs der Motorradgang versteckt hatten.
Vor ihnen, auf den Stufen des geplünderten Dorftempels, stand der Priester. Das zeremonielle Gewand des glatzköpfigen Hünen war staubig und mit Blut befleckt, und zahlreiche der Glasstücke und Spiegelscherben, die Symbole des nächtlichen Himmels, auf dessen Tochter die Mutanten seit Jahren gewartet hatten, fehlten. Mit grimmiger Miene wandte er sich an die Versammelten: »Ich stehe heute vor euch, und Schmerz erfüllt meine Brust. Unsere Häuser sind verbrannt. Unsere Leute wurden getötet. Unser Tempel wurde geschändet. Und die Tochter des Himmels hat man uns geraubt. Erst dachten wir, eine Straßenbande wolle uns den Krieg erklären. Doch schnell erkannten wir unseren Fehler. Die Krieger der Stadtmenschen steckten dahinter. Sie sind für Schmerz und Tod verantwortlich.«
Ordun trat einen Schritt auf seine Zuhörer zu und ballte die Fäuste. »Ich stehe heute vor euch, und Zorn erfüllt meine Brust. Viele von uns teilen die gleiche Vergangenheit. Wir wurden gedemütigt. Wir wurden ausgestoßen. Wir wurden in die Wildnis verbannt, um dort zu sterben. Aber wir starben nicht, sondern kämpften um ein neues Leben. Unser Dorf und unsere Gemeinschaft waren die Früchte dieses Kampfes. Hier fanden wir Glück, hier schlossen wir unseren Frieden mit den Stadtmenschen, indem wir uns vollständig von ihnen abwandten. Doch die Stadtmenschen haben diesen Frieden gebrochen.«
Einige beifällige Stimmen wurden laut. Sie stammten, wie Jonan bemerkte, vor allem von den verbliebenen Männern der Mutantengemeinschaft.
»Sie haben ihn auf eine Weise gebrochen, die nicht ungerächt bleiben darf«, wetterte Ordun, bestärkt von den Beifallsrufen.
»So ist es«, antworteten ihm Stimmen aus dem Publikum. Speere und Fäuste wurden geschüttelt.
»Sie haben ihn auf eine Weise gebrochen, die nur eines bedeuten kann: Krieg!«
Wilder Applaus brandete auf, aber noch immer stammte er von höchstens der Hälfte der Anwesenden. Die Übrigen blickten sich unbehaglich an. Sie schienen sich zu fragen, ob man das letzte bisschen Leben, das ihnen verblieben war, nun auch noch aufs Spiel setzen durfte. Ein paar kleinere Kinder fingen an zu weinen.
Jonan hob die Hand. »Ordun, ich bitte darum, sprechen zu dürfen.«
Der Priester funkelte ihn aus seinen schwarzen Augen an, dann nickte er und gebot ihm mit einer Geste, sich zu ihm zu
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