Flammen über Arcadion
gesellen.
»Was hast du vor?«, raunte Pitlit ihm zu.
»Diese Leute vor dem Selbstmord zu bewahren«, erwiderte Jonan leise. Er stieg die Stufen zu Ordun hinauf und wandte sich den Mutanten zu. Im Grunde hatte er keine Ahnung, was genau er sagen sollte, aber er hatte das drängende Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen !
»Hört mir zu«, begann er zögernd. »Ich kann eure Trauer und euren Zorn verstehen. Glaubt mir, auch ich verspüre ihn. Carya wurde entführt. Für euch ist sie die Tochter des Himmels. Für mich … « Er stockte. »Für mich ist sie noch mehr als das. Ich habe geschworen, sie zu beschützen, immer bei ihr zu sein. Die Soldaten des Lux Dei, die Stadtmenschen, haben mich diesen Schwur brechen lassen. Dafür würde ich jedem einzelnen von ihnen am liebsten eine Kugel durch den Kopf jagen.« Er legte eine Hand auf das an seiner Seite hängende Templer-Sturmgewehr.
»Aber das kann ich nicht. In meinem Gewehr sind nicht genug Kugeln. Würde ich in den Kampf ziehen, ich würde ihn verlieren. Und das Gleiche gilt für euch. Die Stadtmenschen sind unglaublich viele, und sie haben gefährliche, tödliche Waffen. Im offenen Kampf können wir sie nicht besiegen. Dazu kommt noch etwas: Nicht alle Stadtmenschen sind wie die Soldaten, die uns angegriffen haben. Viele sind friedliebende, einfache Leute. Sie trifft keine Schuld. Wenn ihr in den Krieg ziehen würdet, hättet ihr am Ende genauso das Blut von Unschuldigen an den Händen kleben wie die Soldaten gestern Abend. Ihr wärt nicht besser als sie.«
»Worauf willst du hinaus?«, knurrte Ordun. »Sollen wir etwa nichts tun? Sollen wir deine Soldaten einladen, wiederzukommen und noch mehr zu töten, wenn es ihnen gefällt?«
»Nein«, widersprach Jonan rasch. »Wir müssen handeln. Das steht außer Frage. Ich muss Carya retten, und ihr wollt sicher die Kapsel zurück, die aus eurem Tempel geraubt wurde. Das zu erreichen sollte unser vorrangiges Ziel sein. Wenn dabei ein paar Templersoldaten sterben, ist das nur die gerechte Strafe für ihr Vergehen. Allerdings dürfen wir nicht im Zorn handeln, sondern müssen mit Bedacht vorgehen. Wir benötigen einen Plan. Ansonsten endet euer Kampf an den Mauern von Arcadion, bevor er überhaupt begonnen hat.«
Eine Weile lang musterte der Priester ihn schweigend. »Du warst einer von ihnen«, sagte er. »Ein Stadtmensch. Du würdest uns helfen, gegen sie vorzugehen?«
Jonan neigte zustimmend den Kopf. »Ja, das würde ich – solange wir keinen Kriegszug vorhaben, sondern eine Rettungsmission.«
»Dann komm«, sagte Ordun. »Planen wir.«
Kapitel 33
W ir stehen vor drei Herausforderungen«, begann Jonan, nachdem sie sich in Orduns Haus zurückge zogen hatten. Neben dem Priester und ihm waren noch Pitlit, der Arzt Nessuno und zwei Krieger der Mutantengemeinschaft anwesend, die man ihm als Mablo und Petas vorgestellt hatte. »Zuerst müssen wir uns ungesehen nach Arcadion einschleichen. Danach gilt es herauszufinden, wo Carya festgehalten wird und wo sich die Kapsel gegenwärtig befindet. Und zuletzt – und das wird das Schwierigste – müssen wir sie und die Kapsel aus der Stadt bekommen.«
»Das Einschleichen ist leicht«, sagte Pitlit. »Ich mische mich unter die Arbeiter, die abends von den Feldern und Fabriken zurückkehren, und nachts werfe ich euch ein Seil über die Mauer.«
Jonan nickte. »Auf diese Weise könnte zumindest eine kleine Truppe unbemerkt in die Stadt eindringen. Anschließend wird es schon kniffliger.«
Er dachte nach. Natürlich konnte er versuchen, mit Adara oder den anderen Mitgliedern der Ascherose Kontakt aufzunehmen. Allerdings war die einzige Adresse der Widerstandsgruppe, die ihm bekannt war, die von Adara angemietete Wohnung. Da die Ascherose bei ihrem letzten Treffen im Begriff gewesen war, sich in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen, war es gut möglich, dass Adara auch dieses neue Versteck aufgegeben hatte. In dem Fall hatte Jonan keinerlei Anhaltspunkt, wie er mit der Gruppe in Verbindung treten sollte. Selbst Pitlit war ihm hier vermutlich keine Hilfe. Der Straßenjunge wusste bestenfalls, wo die Widerständler gewohnt hatten, bevor sie von der Bildfläche verschwunden waren.
Abgesehen davon , dachte Jonan. Was bringt es mir? Wie sollen mir Adara, Dino und Stephenie helfen? Zumindest die Kapsel wurde zweifellos wie ein Staatsgeheimnis behandelt, dessen Standort nur Eingeweihten bekannt sein würde. Er brauchte jemanden aus den Reihen des Lux Dei, am besten jemanden aus
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