Flammen über Arcadion
neben ihm,und ich müsste dich von hier forttragen, um dich zu retten.«
»Mich zu retten?«, echote Carya.
Jonan nickte. »Ja natürlich, was glaubst du, warum ich dieses ganze Theater gespielt habe? Es tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe. Aber ich habe keine andere Möglichkeit gesehen, an ihn heranzukommen.« Er ging in die Hocke und verpasste Burlone eine zweite Ladung – zur Sicherheit. Anschließend griff er in dessen Helm und zerquetschte das Funkgerät mithilfe der Kraftverstärkerservos in seinen Handschuhen.
»Und jetzt schnell weg hier«, fuhr er fort, während er aufstand. »Bevor der Nächste kommt und nach mir sucht. Reden können wir später.« Er hielt Carya die Hand hin.
Zögernd blickte sie darauf.
»Vertrau mir. Ich will dir helfen, Carya.«
Er sah, dass sie sich innerlich einen Ruck gab. Sie legte ihre schmale Hand in seinen klobigen Handschuh. »Du kennst meinen Namen, aber ich kenne deinen nicht«, sagte sie.
Er lächelte sie an. »Jonan«, erwiderte er. »Ich heiße Jonan.«
Gemeinsam rannten sie durch die nächtlichen Straßen, fort von Caryas Zuhause. Carya konnte immer noch nicht ganz fassen, was in den letzten Minuten geschehen war. Beinahe hätte die Inquisition sie erwischt. Doch völlig unerwartet hatte sich ein Schwarzer Templer – von allen Menschen Arcadions ausgerechnet ein Schwarzer Templer – auf ihre Seite geschlagen und sie gerettet.
Sie konnte nicht begreifen, warum er das getan hatte. Im Moment allerdings war kaum der richtige Zeitpunkt, um nach Antworten auf diese Frage zu forschen. Jetzt hieß es, das neu gewonnene Leben auch zu behalten.
»Wohin laufen wir?«, fragte sie atemlos Jonan, der sie führte.
»Wir müssen uns verstecken«, antwortete er. »Aber vorher brauchen wir ein paar Dinge, und ich muss diese Rüstung loswerden. Sie ist viel zu auffällig, um damit länger herumzulaufen. Die werden sowieso völlig durchdrehen, weil ich sie ihnen gerade praktisch gestohlen habe. Du glaubst gar nicht, wie wertvoll diese Dinger sind. Aber zurückgeben kann ich sie jetzt auch schlecht. Also muss ich sie verstecken. Bis dahin ist Eile angesagt, denn sie werden uns sicher schon bald auf den Fersen sein.«
Das glaubte Carya gerne. Mittlerweile dürfte der Zorn der Inquisition so richtig geweckt sein. Sie musste an ihre armen Eltern denken. Hoffentlich mussten sie nicht für das büßen, was Carya ihnen eingebrockt hatte.
Um ihrVorankommen zu beschleunigen, requirierte Jonan an der nächsten größeren Straße kurzerhand eine Kutsche. Er erklärte nicht, wer Carya war und warum sie mitten in der Nacht in Begleitung eines Schwarzen Templers in der Stadt unterwegs war, aber der Kutscher hütete sich auch, irgendwelche Fragen zu stellen. Wenn man von den Gardisten des Tribunalpalasts oder anderen Dienern des Lux Dei einen Befehl bekam, führte man ihn für gewöhnlich einfach aus und hoffte, dass sie einen danach wieder in Ruhe ließen.
»Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet«, stellte Carya fest, während die Kutsche durch die Straßen ratterte und sie sich in eine Ecke der Kabine drückte, da Jonan in seiner Rüstung den ganzen Rest ausfüllte.
»Welche?«, wollte er wissen.
»Wohin genau wir eigentlich unterwegs sind.«
»Wir fahren zu einem Lagerhaus im Süden von Arcadion«, erklärte er. »Es liegt im Industrieviertel und gehört meinem Onkel. Dort wird man uns erst einmal nicht vermuten. Das gibt uns die Möglichkeit, ein wenig zu verschnaufen. Ein paar nützliche Sachen finden wir da auch. Und die Rüstung stelle ich einstweilen in einer dunklen Ecke ab. Im Morgengrauen versuchen wir dann, zusammen mit den Arbeitern, die hinaus zu den Feldern und Fabriken fahren, die Stadt zu verlassen.«
»Nein, das geht nicht«, widersprach Carya. »Wir dürfen nicht fliehen, bevor ich nicht versucht habe, meinen Eltern zu helfen.«
»Niemand spricht von fliehen. Ich will mich nur dem unmittelbaren Einflussbereich des Lux Dei entziehen. Wir verbergen uns draußen im Ödland. Dann sehen wir weiter.«
»Aber ist es nicht viel gefährlicher, in den Ruinen Unterschlupf zu suchen, als in der Stadt zu bleiben?«, wandte Carya ein. »Im Ödland treiben sich Ausgestoßene herum, wilde Tiere und Räuber. Hier drinnen schützen uns die Massen der Bewohner von Arcadion.«
Jonan verzog das Gesicht. »Hm, ja, vielleicht hast du recht. Ich muss darüber noch mal nachdenken. Eins nach dem anderen.«
»Was wird dein Onkel eigentlich dazu sagen, dass zwei
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