Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
Wasser tanzenden Bootes und das tropfende Tau sehen, mit dem es an einem eisernen Ring in der Mauer festgemacht war. Die Riemen lagen bereit.
Voisey stieg ein und setzte sich auf die Ruderbank. Pitt löste das Tau, legte es über dem Arm zusammen und sprang ins Heck. Voisey setzte die Riemen in die Dollen und fing mit aller Kraft an zu rudern.
Die Strömung erfasste sie, ließ das Boot einen Augenblick unruhig schwanken, doch dann hatte Voisey seinen Rhythmus gefunden, und es ging rasch vorwärts.
Kurz bevor sie den Lastkahn erreichten, verlangsamte er die Fahrt und holte die Riemen wieder ein. Vorsichtig stand Pitt auf und machte sich bereit. Auf keinen Fall durfte das Boot gegen den Rumpf des Lastkahns stoßen, damit niemand auf sie aufmerksam wurde. Sicherlich war Piers Denoon nicht allein. Er fasste nach der Bordwand und hielt sie fest. Leichtfüßig sprang er hinüber und ließ sich sogleich auf die Knie sinken, für den Fall, dass jemand vom Ufer aus herübersah. Er hatte einen kurzen
Knüppel in der Tasche, hätte aber lieber eine Pistole gehabt. Nur gut, dass Voisey bei ihm war, dem ebenso daran gelegen war wie ihm, Denoon zu fassen. Nicht nur war der Mann ziemlich kräftig, er kannte auch keine Skrupel.
Pitt schob sich voran und sah die erhellte Luke. Ein schlanker Mann stand dort, der etwa zwanzig Jahre alt zu sein schien. Hinter ihm sah man den Schatten eines zweiten, der zwar kräftiger gebaut war, sich aber ein wenig gebeugt hielt. Soweit Pitt sehen konnte, war er nicht bewaffnet. Da er den jungen Mann nicht niederschlagen wollte, legte er ihm den Arm um die Gurgel und zog ihn nach hinten. Der andere Mann fuhr hoch.
An Deck entstand eine Bewegung. Pitt sah sich nach Voisey um, doch statt seiner kam ein kräftiger Mann mit einer Wollmütze auf ihn zu. Hinter ihm sah er, wie Voisey das Boot fortruderte, der Treppe am Ufer entgegen. Jetzt hatte er ihn doch hintergangen, beim ersten Mal, als er nicht damit gerechnet hatte.
KAPITEL 11
Mit einer Wut, die ihn fast erstickte, sah Pitt dem sich über die glitzernde Wasserfläche entfernenden Boot nach. Wie unglaublich dumm von ihm! Welche Hinweise mochte er übersehen haben? Voisey lag ebenso viel wie Pitt daran, dass man Piers Denoon fasste und vor Gericht stellte. Mit ihm als Zeugen ließ sich die Korruption der Polizei unwiderleglich nachweisen, denn er war das letzte fehlende Glied in der Beweiskette, die von den Sprengstoffanschlägen zu Wetron führte.
Leicht vorgebeugt, bereit, sich auf ihn zu stürzen, näherte sich der stämmige Mann Pitt. »Duck dich, Mike!«, rief er dem jungen Mann zu, der sich unter Pitts Griff wand.
Warum nur hatte er Voisey geglaubt, dass sich Piers Denoon hier befand? Die Antwort war einfach: Weil er sich allmählich daran gewöhnt hatte, dass er ihm trauen durfte. Die Verfolgungsjagd und die Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Sieges hatten ihn mitgerissen, und so hatte er vergessen, was für ein Mensch Voisey stets gewesen und immer noch war. Vielleicht wusste er sogar tatsächlich, wo sich Piers Denoons aufhielt!
Der Stämmige blieb zögernd stehen. Wie es aussah, schien er nicht recht zu wissen, was er tun sollte, weil Pitt seinen Gefährten nach wie vor an der Gurgel hielt. Doch jetzt kam der Dritte aus der Kajüte empor, eine Eisenstange in der Hand.
Pitts einzige Aussicht zu entkommen bestand darin, dass er vorsichtig zurückwich, um nicht über eine der Spieren oder
Kisten an Deck zu stolpern, und über die Bordwand ins Wasser sprang. Und dann war es noch ohne weiteres möglich, dass er ertrank. Bis zum rettenden Ufer waren es etwa dreißig Meter, und der kräftige Sog der Ebbe, die jeden Augenblick einsetzen musste, würde ihn dem Meer entgegentreiben. Nicht nur war das Wasser kalt, er hatte auch einen Mantel und hohe Schnürschuhe an. Nur mit viel Glück könnte er das Ufer erreichen, immer vorausgesetzt, dass ihn keiner der Leichter in voller Fahrt rammte, sodass er das Bewusstsein verlor. Wenn er dann noch mit einem Kleidungsstück irgendwo hängen blieb, wäre sein Geschick besiegelt.
Während er sich vorsichtig rückwärts schob, hielt er den jungen Mann nach wie vor gepackt, obwohl dieser jetzt um sich schlug, nach ihm trat und ihn mit den Händen zu fassen versuchte. Jetzt musste Pitt den Preis für seine Dummheit bezahlen. Nicht nur Narraway hatte ihn gewarnt, auch Charlotte und selbst Vespasia. Warum ließ Voisey es offensichtlich darauf ankommen, dass Charlotte das Material verwendete, das Mrs
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