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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Unterschiedliche Ideale, die aufeinander prallten, ein Kampf um Einflussbereiche? Ein Machtkampf um die Führerschaft innerhalb einer Gruppe? Oder etwas völlig anderes?
    Langsam durchquerte Pitt den Raum und verließ ihn durch die Tür zur Hintertreppe, auf demselben Weg, den der Mörder genommen haben musste. Auf der Straße stieß er auf einen weiteren Polizeibeamten, der ihm aber auch nichts weiter sagen konnte.

KAPITEL 2
    Leise schloss Pitt die Haustür, zog die Schuhe aus und ging auf die Küche zu, aus der Licht fiel und Gelächter ertönte. Es war fast acht Uhr, und obwohl der Abend mild war, fror es ihn, mehr vor seelischer als vor körperlicher Erschöpfung.
    Kaum hatte er die Tür geöffnet, hüllte ihn der wohlige Geruch nach gekochtem Gemüse, noch warmem Gebäck und der Wäsche ein, die auf dem Trockengestell hing. Das blau geränderte Porzellan auf der Anrichte und das frisch gescheuerte helle Holz des Tisches schimmerten im Schein der Gaslampe.
    Charlotte, die eine Schürze umgebunden hatte, wandte sich um und lächelte ihm zu. Aus ihrer Hochsteckfrisur stahlen sich einzelne Strähnen hervor.
    »Thomas!« Freudig eilte sie auf ihn zu, runzelte aber die Stirn, als sie sein Gesicht sah. »Geht es dir nicht gut?«, fragte sie. »Was hat es mit dem Bombenattentat auf sich?«
    »Mir fehlt nichts, ich bin nur müde«, gab er zur Antwort. »Niemand ist durch die Explosionen zu Schaden gekommen. Ein Polizeibeamter ist beim Sturm auf das Gebäude von einer Kugel getroffen worden. Er hat aber zum Glück nur eine Fleischwunde.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und fragte dann besorgt: »Hast du überhaupt schon gegessen?«
    »Nein«, gab er zu, zog sich einen der Stühle herbei und setzte sich. »Seit einem Schinkenbrot um drei Uhr nichts mehr. Aber eigentlich habe ich auch keinen Hunger.«
    »Bomb’n!«, stieß Gracie voll Abscheu hervor. »Ich weiß nich, wo das noch hinführ’n soll! Am besten würde man die alle in die Tretmühle unt’n in Coldbath Fields steck’n!« Sie stand am Herd, drehte sich um und betrachtete Pitt missbilligend. Sie war mehr als ein Dienstmädchen, fast wie eine Tochter des Hauses, und sie hing mit unerschütterlicher Treue an ihrem Herrn.
    »’n Stück Apfelkuch’n kann Ihn’ sicher nich schad’n. Wir ham auch Sahne – fest wie Butter. Da bleibt der Löffel drin steh’n.« Ohne zu warten, ob er das Angebot annahm, eilte sie zur Speisekammer, deren Tür sie weit aufriss.
    Charlotte lächelte Pitt zu und nahm Besteck aus der Schublade. Gerade in dem Augenblick kam die elfjährige Jemima die Treppe herunter und durch den Gang gerannt.
    »Papa!« Sie stürzte sich Pitt entgegen und schlang freudig erregt die Arme um ihn. »Was war im East End los? Gracie hat gesagt, dass man alle Anarchisten erschießen soll. Stimmt das?«
    Er erwiderte ihre Umarmung, ließ sie aber gleich wieder los, als ihr einfiel, was sie sich schuldig war, und sich ein Stückchen von ihm zurückzog.
    »Ich dachte, sie hätte gesagt, dass man sie in die Tretmühle schicken soll«, gab er zurück.
    »Was ist eine Tretmühle?«, fragte Jemima.
    »Eine Maschine, die sich immer um die eigene Achse dreht, ohne einen Zweck zu erfüllen. Trotzdem muss man immer weiterlaufen, weil man sonst umfällt und sich wehtut.«
    »Welchen Sinn hat das?«
    »Keinen. Es ist eine Strafe.«
    »Für Anarchisten?«
    Gracie kam mit einem großen Stück Apfelkuchen und einem Krug Sahne zurück und stellte beides auf den Tisch.
    »Danke«, sagte Pitt und häufte Sahne auf den Kuchen. Vielleicht hatte er doch Hunger. Auf jeden Fall würde er allen eine Freude machen, wenn er etwas aß. »Für jeden, der im Gefängnis ist«, beantwortete er Jemimas Frage.
    »Sind Anarchisten böse?«, fragte sie und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
    »Ja«, antwortete Gracie für Pitt, der mit vollen Backen kaute. »’türlich. Die spreng’n Häuser von Leut’n in de Luft un hau’n alles zu Klump. Se hass’n Mensch’n, die schwer geschuftet und was zustande gebracht ham. Die woll’n alles kaputt mach’n, was nich ihn’ selber gehört.« Sie füllte den Teekessel mit Wasser und stellte ihn auf den Herd.
    »Warum?«, bohrte Jemima nach. »Das ist doch dumm!«
    »Weil sonst niemand auf sie hören würde«, erläuterte Charlotte. »Wo ist eigentlich Daniel?«
    »Der macht Hausaufgaben«, sagte Jemima. »Ich bin schon fertig. Und hören die Leute auf die, wenn die was kaputt machen? Wenn ich so was tun würde, müsste ich ohne Essen

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