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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Recht. Vespasia war hoch gewachsen und nach wie vor schlank. Kühle Farben schmeichelten ihren kräftigen Gesichtszügen und ihrem blassen Teint. Wie immer trug sie eine mehrreihige Perlenkette, die bestens zu ihrem silbrigen Haar passte. Das eng taillierte und an den Hüften glatt fallende bodenlange Jackenkleid war nach der letzten Mode geschnitten; es hatte gebauschte Ärmel und schwang unterhalb der Knie leicht auswärts. Die Jacke hatte die von der herrschenden Mode vorgeschriebenen überbreiten Aufschläge.
    Das Mädchen setzte ihr den Hut auf und reichte ihr die grauen Glacéhandschuhe, die weicher waren als Samt. Ein kleines grauseidenes Ridikül enthielt ein Taschentuch, einige Visitenkarten und den Brief.
    Vespasia dankte ihr und verließ das Ankleidezimmer gemessenen Schritts. Am Fuß der Treppe wartete bereits der Lakai, der ihr die Haustür öffnete und sie zu ihrer Kutsche geleitete, an deren Schlag Charles bereitstand.
    Die Fahrt zum Haus der Familie Landsborough in der Stenhope Street nahe dem Regent’s Park dauerte nur eine Viertelstunde. Vespasia stieg ohne Hilfe aus und ging, den Brief in der Hand, zur Haustür. Ihr wurde sogleich geöffnet, und ein älterer Butler sah sie fragend an. Dann erkannte er das Wappen an ihrem Wagenschlag und begrüßte sie höflich mit Namen.
    »Guten Morgen«, gab sie zur Antwort. »Vermutlich empfängt
die Familie keine Besuche, doch wollte ich mein Beileidsschreiben persönlich überbringen, statt es mit der Post zu schicken. Hätten Sie die Güte, Lord und Lady Landsborough meines tiefen Mitgefühls zu versichern?«
    »Selbstverständlich, Mylady.« Er hielt ihr das Silbertablett hin, und sie legte den Umschlag darauf. »Danke. Es ist sehr gütig von Ihnen, persönlich herzukommen. Möchten Sie nicht einen Augenblick eintreten? Ich werde Lady Landsborough Ihren Brief übergeben. Möglicherweise hat sie den Wunsch, Ihnen sogleich zu danken.« Er tat einen Schritt zurück.
    »Ich möchte sie keinesfalls belästigen.« Vespasia blieb auf der Schwelle stehen.
    »Davon kann keine Rede sein, Mylady«, gab der Butler zur Antwort. »Sollten Sie allerdings andere Verpflichtungen haben …«
    »Das ist nicht der Fall«, sagte sie aufrichtig. »Ich habe das Haus ausschließlich zu diesem Zweck verlassen.« Nachdem sie das gesagt hatte, wäre es ausgesprochen unhöflich gewesen, die Einladung zurückzuweisen, und so folgte sie dem Mann ins Haus. Die Bilder im Vestibül waren mit schwarzem Krepp verhängt, das Pendel der Standuhr hatte man angehalten und die Spiegel zur Wand gedreht. Man führte sie ins Damenzimmer. Dort brannte kein Feuer, und die Jalousien waren heruntergelassen. Die weißen Blumen auf dem Tisch wirkten im Halbdunkel geisterhaft.
    Sie brauchte nur zu warten, bis der Butler zurückkehrte und ihr Cordelias Dank übermittelte; dann konnte sie gehen. Sie wollte sich nicht setzen; es schien ihr unangebracht, weil sie fand, damit erwecke sie den Eindruck, länger bleiben zu wollen. Unter den gegebenen Umständen schien es ihr ungehörig, sich gemütlich niederzulassen.
    Sie sah sich beiläufig um und versuchte sich zu erinnern, ob das Zimmer noch so war wie früher, als sie sich häufig als Gast im Hause aufgehalten hatte. Der Bücherschrank mit den Glastüren, in denen sich das Licht brach, sodass man die Titel auf den Buchrücken nicht lesen konnte, hatte schon da gestanden. Das Bild über dem Kamin, eine Szene aus Venedig, kannte sie ebenfalls. Sie
hatte es stets für einen echten Canaletto gehalten, aber nie danach fragen mögen. Es erschien ihr unvorstellbar, dass sich Sheridan Landsborough mit etwas Minderwertigem begnügt hätte.
    Sie hörte Hufschlag auf der Straße vor dem Haus. Drinnen herrschte völlige Stille, als habe man alle üblichen Tätigkeiten eingestellt.
    Die Tür öffnete sich, und Vespasia wandte sich um. Statt des Butlers, den sie erwartet hatte, stand Cordelia dort. Abgesehen davon, dass sich die Zahl der grauen Strähnen in ihren dunklen Haaren vermehrt hatte, wirkte sie kaum verändert, seit sie einander vor zwei, drei Jahren zuletzt begegnet waren. Sie machte nach wie vor einen energischen Eindruck, doch wirkte das Kinn etwas weicher als früher, und nicht einmal das hoch geschlossene Kleid konnte vollständig verbergen, dass die Haut an ihrem Hals faltig geworden war. Ihr Gesicht war bleich, was sicher auf das entsetzliche Ereignis zurückzuführen war. Vespasia fiel auf, wie scharf die dunklen Augen dazu kontrastierten.

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