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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sagte er ausdruckslos.
    Jones schwieg.
    Tellman spürte, wie sein Herz sank. Hatte Jones den Schein bereits an Grover weitergegeben? Oder hatte der Wirt Tellman hintergangen und ihn Jones erst gar nicht ausgehändigt? Er spürte den Geschmack des Fehlschlags schon wie Galle im Mund. »Sehen Sie in seinem Hemd nach«, sagte er grob.
    »Auf kein’n Fall, Mr Tellman!«, begehrte Jones auf. »Das dürf’n Se nich! Ich bin unschuldig.«
    Tellman drehte seinen Arm ein wenig weiter, sodass Jones laut aufschrie.
    »Sie sind hier nicht in Ihrem Revier«, sagte Grover in scharfem Ton.
    Stubbs sah auf ihn, dann auf Leggy. Er schob die Hand in Jones’ Hemd und zog zwei Fünf-Pfund-Scheine heraus.
    »Sehen Sie sich die gut an«, forderte Tellman ihn auf. Sogar aus fast einem Meter Entfernung konnte er sehen, dass sie nicht gleich waren. Also musste mindestens einer von ihnen gefälscht sein, und das nicht einmal besonders gut.
    Jetzt war Tellman sehr froh über Leggy Bromwichs Anwesenheit.
    »Mr Jones, ich bin von Ihnen enttäuscht«, sagte Grover und tat so, als sei er betrübt. Er trat einen Schritt zurück. »Sieht ganz so aus, als hätte mein Kollege Recht. Leichtsinnig, wirklich sehr leichtsinnig.«
    Erneut entblößte Tellman seine Zähne. »Das kann man wohl sagen«, stimmte er zu. »Ich fände es nicht gut, wenn mir jemand meine Außenstände mit einer Hand voll von denen da bezahlte! Stubbs, die Handschellen bitte. Wir müssen Mr Jones mitnehmen. Auf Wiedersehen Mr Grover. Auf Wiedersehen, Leggy!« Dann zerrte er Jones herum in die andere Richtung und stieß ihn vor sich her. Stubbs folgte ihm.
    Sie gingen in Richtung der nächsten größeren Straße, wo sie mit etwas Glück schon bald eine Droschke finden würden. Tellman
drehte sich nicht nach Grover um, auch wenn er gern dessen Gesichtsausdruck gesehen hätte. Dass Leggy Bromwich zufrieden dreinblickte, konnte er sich denken. Auf jeden Fall würde es sich für ihn empfehlen, Grover in den nächsten ein, zwei Monaten aus dem Weg zu gehen.

    Am Abend, nachdem er Pitt die Nachricht überbracht hatte, stand Tellman mit Gracie vor dem Varietétheater Gaiety . Sie glühte vor Aufregung. Schon vor fast drei Wochen hatte er versprochen, mit ihr auszugehen, und es zweimal aufschieben müssen, um Pitt zu helfen. An diesem Abend wollte er an nichts von all dem denken. Drei Stunden lang würde er alles beiseite schieben, was mit Verbrechen irgendwelcher Art zu tun hatte. Gracies strahlendes Gesicht war ihm Belohnung genug für seinen angestrengten Versuch, alles Misstrauen zumindest so lange aus seinen Gedanken zu verbannen, bis er wieder in seiner Wohnung war und sich ihm erneut die Erkenntnis aufdrängte, dass er es sich nicht leisten konnte, irgendeinem seiner Kollegen zu trauen.
    Selbstverständlich war es gut möglich, dass sich die Anarchisten über das Ausmaß der Korruption irrten. Es waren nicht unbedingt Männer, die sich der Vernunft und dem gesunden Menschenverstand verschrieben hatten. Wer hatte schon je etwas so ganz und gar Unsinniges gehört wie die Behauptung, man müsse jegliche Ordnung zerschlagen, um aus dem Chaos, das darauf folgte, Gerechtigkeit schaffen zu können?
    Dennoch ließ die Frage Tellman keine Ruhe, was Stubbs wohl getan hätte, wenn nicht zufällig Leggy Bromwich aufgetaucht wäre. Was würde er Wetron melden, was würde Grover an Simbister weitergeben? Glaubte Grover, dass Jones tatsächlich mit Falschgeld zu tun hatte, oder war ihm klar, dass Tellman da nachgeholfen hatte? In einem Punkt war er seiner Sache sicher: Nie und nimmer würde Grover den Wirt offen beschuldigen, er habe dem Erpresser Falschgeld gegeben.
    Falls aber das Übel tatsächlich dermaßen weit verbreitet war, wie Pitt befürchtete, und es ihnen nicht gelang, es an der Wurzel zu
packen, würde es Tellman erst recht schlecht gehen. Bedrückt machte er sich klar, dass er in dem Fall nicht bei der Polizei bleiben konnte. Er würde sich einen anderen Beruf suchen müssen. Nur welchen? Er hatte nichts anderes gelernt. Gracie und er wollten heiraten. Was konnte er ihr bieten, wenn er keine Arbeit hatte?
    Sie hatte sich bei ihm untergehakt, hauptsächlich, um nicht von ihm getrennt zu werden, als die Menschenmenge voranstürmte, da die Türen des Gaiety geöffnet wurden. Sie so zu spüren war ein schönes Gefühl, voll menschlicher Wärme. Der Himmel wusste, dass er lange genug darauf hatte warten müssen, bis sie bereit gewesen war, einigermaßen höflich mit ihm umzugehen. Er

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