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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Ich
meine, wer war dein Chef? Avdi Korac?“
    „Nein, nicht
der Jugoslawe. Ich war bei dem Deutschen. Bei Honold.“
    „Und durch
den Wechsel zu Heidenreich bist du vom Regen in die Traufe gekommen“, meinte
Tom.
    Diese
Redensart war dem Türken nicht geläufig. Aber nachdem Tom sie erklärt hatte,
nickte er.
    Als er
weiter fuhr, sahen sie ihm nach.
    „Das muß man
sich vorstellen“, sagte Tom. „Fern der Heimat, zwar satt zu essen, aber
Mißhandlungen in einer lieblosen Umwelt. So gehen gewisse Menschen mit denen
um, die sich nicht wehren können.“
    „Ich schäme
mich für Typen wie Heidenreich. Die sind doch verantwortlich für das Bild, das
Ausländer von uns haben.“
    Sie gingen
weiter.
    Heidenreichs
Wagen stand noch vor dem Weberschen Haus. Ihn selbst sahen sie nicht. Er
rumorte im Innern, hatte auch den Liegestuhl weggeräumt.
    Später dann
— als sie längst wieder bei ihren Leuten in fröhlicher Runde waren — hörte
Locke, wie er abfuhr.
    Es wurde ein
tolles Wochenende. Nicht nur, daß sich alle hier Versammelten bestens
miteinander verstanden — auch heiße Liebe war gleich zweimal vertreten:
zwischen Locke und Tom und deren Eltern teilen, Helga — die schon lange Witwe
war — und Gunter, von dem sich Madeleine, Lockes und Mikes Mutter, vor vielen
Jahren getrennt hatte.
    Die
Verliebtheit beider Paare färbte ab, so daß selbst alte Eheleute wie die
Kreuders auffallend nett zueinander waren.
    Elke war
jedesmal rosig überhaucht, wenn der gutaussehende Mike das Wort an sie
richtete. Aber zu mehr Hinwendung konnte Mike sich nicht entschließen. Für ihn,
den 19jährigen, war Elke ein kleines Mädchen.
    Man machte
Spiele und lange Spaziergänge. Jede Mahlzeit wurde zum Fest. Bei Anbruch der
Dunkelheit illuminierten (festlich beleuchten) Gartenfackeln die
herbstliche Terrasse. Später saß man am Kaminfeuer, das anfangs etwas qualmte,
weil die Scheite zu frisch waren, und Gunter erzählte spannende und schaurige
Geschichten.
    Die Zeit bis
zum Sonntagabend, dem Termin der Rückfahrt, verging wie im Flug.

4. Signal zum Bandenkrieg
     
    Avdi Korac,
der Jugoslawe, saß in seinem Büro am Schreibtisch und trank Pflaumenschnaps aus
einem Zahnputzbecher. Das Büro war schmuddelig, Korac auch. Er zählte 49 Jahre,
war mittelgroß und bullig. In dem derben Gesicht stießen die Fleischwülste
aneinander. Er hatte dichtes schwarzes Haar mit Grausträhnen, eine niedrige
Stirn und tiefliegende Augen: klein und schwarz wie Briketts. Er war bösartig
und gefährlich. Gegner wichen ihm aus — die meisten jedenfalls. Ihm war alles
zuzutrauen, ausgenommen Gutes.
    Die Tür
öffnete sich. Ein eckiger Typ kam herein. Gani Mollai hatte den Mund voller
Goldzähne und grinste häufig. Nicht aus Lebensfreude, sondern um die Goldzähne
zu zeigen. Er war Jugoslawe wie sein Chef und arbeitete für ihn als Kapo (Kurzform
von Kaporal-Unteroffizier). Er — und Vidac Luka, der gleich eintreffen
mußte — bewachten die Illegalen, die Arbeitssklaven. Ihre Mittel, sich
durchzusetzen, waren: brutale Schläge und Drohungen mit Waffengewalt.
    „Hallo,
Chef“, sagte Mollai. „Da bin ich.“
    „Wir warten
noch auf Luka. Sonst muß ich zweimal erzählen.“
    Mollai
nickte, setzte sich und schielte nach der Schnapsflasche.

    Korac füllte
sich erneut den Becher, dann schob er ihm die Flasche hin.
    Der Kapo
nahm sie und prostete dem Chef zu.
    „Tod unseren
Feinden. Der Teufel soll ihre Seele fressen.“
    „Zuerst soll
er Honold fressen.“
    „Den?“
    Mollai hatte
schon getrunken, verschluckte sich vor Schreck und prustete anhaltend, wobei in
seinem Viereck-Gesicht die Goldzähne blitzten.
    „Sagtest du
Honold, Chef?“
    „Sagte ich.“
    „Aha.“
    Eine
Erklärung wäre fällig gewesen. Aber Korac wollte nichts zweimal erzählen.
    Ihn zu
drängen, war nicht ratsam. Das mochte er nicht. Und die Fausthiebe, die er
austeilte, machten keinen Unterschied, ob sie Freund oder Feind trafen.
    Honold!
dachte Mollai. Also ist was im Busch.
    Bislang
hatten beide Menschenhändler ihren Schnitt gemacht, sich vertragen, keiner dem
andern in die Suppe gespuckt. Aber nun war was passiert. Was?
    Mollai trank
nochmal, bevor Korac die Flasche mit einer Handbewegung zurückforderte.
    Dann betrat
Vidac Luka das schmuddelige Büro.
    Er war
jünger als Mollai, ging geduckt, wippte auf den Ballen und schien ständig auf
irgendwas zu lauern. Er wirkte sprungbereit, um den Nächstbesten anzufallen, und
so war er auch — außerdem schlank, sehnig,

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