Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Wiederbelebungsversuche anzustellen. Natürlich rechneten
sie auch damit, auf einen sinnlos betrunkenen, wutschnaubenden Honold zu
stoßen.
    Locke ging’s
langsam an. Den Tobsüchtigen zu bändigen, war Männersache.
    Sie
verharrte in der halbdunklen Diele.
    Plötzlich
waren zwei Gestalten neben ihr.
    Aus der
Küche links sprangen sie hervor: schemenhaft wie Dracula, wenn er zum Sturzflug
ansetzt.
    Der Schrei
blieb ihr in der Kehle stecken — so überrascht war sie. Dann wurde sie über den
Haufen gerannt, rücksichtslos, wurde zur Seite geschleudert — gegen eine Tür
rechts. Die war nicht eingeklinkt, gab nach, und der brutale Schwung reichte,
um Locke in ein parfümiertes Schlafzimmer zu befördern, wo sie — jetzt aus
voller Kehle schreiend — auf einem französischen Doppelbett landete.
    Es war
grünseidig bezogen. Niemand lag drin.
    „Sie sind im
Lift!“ brüllte Ton in diesem Moment.
    Locke hörte
es und federte hoch. Sie sprang in die Diele zurück und sah gerade noch, wie
ihr Freund gegen die stählerne Automatiktür des Fahrstuhls prallte.
    Sie war
längst geschlossen, und die Kabine sank abwärts, wie man am Schnurren der
Stahlseile hörte.
    Tom fluchte,
als wäre er in der Gosse aufgewachsen und nicht bei seiner charmanten Mama.
Seine Karate-Faust verpaßte der Tür eine Delle.
    Er spurtete
nach links, wo die Treppe abwärts führte, machte aber gleich wieder kehrt. Den
Wettlauf gegen die Sinkgeschwindigkeit des Lifts hätte er keinesfalls gewinnen
können.
    „Locke,
Schatzi! Haben sie dir was getan?“
    Sie
schüttelte ihre Knistermähne.
    „Haben mich
nur geschubst. Es waren zwei.“
    „Zwei“,
bestätigte Gunter, der aus Sorge um Locke in die Diele gekommen war, aber jetzt
zu der Frau zurück ging. „Leider habe ich die Kerle nur von hinten gesehen.“
    „Ich auch“,
grummelte Tom. „Der eine war kompakt wie ein Schrankkoffer und dunkel auf dem
Haupt, der andere geschmeidig und teils blond, teils kahl. Mehr weiß ich auch nicht.“
    Er blickte
den Flur entlang in beide Richtungen. Wo blieben die neugierigen Nachbarn?
Dieser Lärm mußte einen Siebenschläfer wecken und einen Tauben auf die Palme
bringen. Aber keine Tür öffnete sich. Niemand lugte, schimpfte oder fragte.
Offenbar waren die übrigen Wohnungen verwaist — um diese Zeit.
    „Unerhört,
Locke, dich so durch die Landschaft zu stoßen!“ Tom legte ihr den Arm um die
Schultern und wurde mit einem Lächeln belohnt.
    Sie gingen
in den Wohnraum. Er war groß und so modern eingerichtet, als lebten Honold und
Co. schon im 21. Jahrhundert.
    Auf dem
hellblauen Teppich saß eine Frau. Sie hielt sich an Gunters Arm fest und war
ziemlich wacklig im Genick.
    Eine Flut
dunkler Haare umrahmte ein kesses Gesicht, in dem rotgeschminkte Lippen und
blaue Lidschatten leuchteten. Ihr Blick war benommen, und an der Stirn
entwickelte sich eine Beule.
    „Tom, hol
ein Glas Wasser“, sagte Gunter über die Schulter, während er die Erwachende
stützte.
    Sie hörte es
und war wieder klar genug, um den Sinn zu begreifen. Der Gedanke an Wasser
schien ihr Brechreiz zu verursachen.
    Ein
schlaffer Arm wedelte zu einer chromglänzenden Hausbar hin. „Brrrhhh...! Kein
Wasser! Da ist Cognac.“
    Also füllte
Tom ein großes Glas mit dem verlangten Stärkungsmittel — und zwar bis zum Rand,
schätzte er die Dame doch richtig ein: als Schnapsdrossel in unversehrtem
Zustand — dann also mit der Beule erst recht.
    Sie leerte
das Glas mit geschlossenen Augen, hob dann die getuschten Wimpern und ließ den
Blick auf Gunter ruhen.

    „Du bist ja
gar nicht Werner. Ich dachte, Werner sei gekommen. Oh, dieses Lumpengesindel.
Sie haben mich an die Birne gehauen.“
    „Wie fühlen
Sie sich?“ fragte Gunter.
    „Prächtig,
wenn ich noch einen Cognac kriege.“
    Sie erhielt
ihn und stellte sich auf die schwarzbestrumpften Beine. Außerdem trug sie ein
blaues Strickkleid und drei Goldketten, die ihr lang und klimperig vor dem
Busen baumelten.
    Locke
bemerkte einen leichten Silberblick an ihr. Ob dieses Minimal-Schielen angeboren war
oder Folge des Niederschlags oder des Cognacs, ließ sich im Moment nicht
beantworten.
    „Sie sind
Claudia Schoeffe?“ fragte Gunter. Er besaß massenhaft Material über Werner
Honold, kannte dessen Schuhgröße, seine Vorliebe für Spiegeleier mit
durchwachsenem Speck und wußte auch, mit wem er zusammenlebte.
    „Ja. Und
Sie?“
    „Mein Name
ist Gunter Rehm. Ich komme vom Tagblatt und wollte mit Werner Honold

Weitere Kostenlose Bücher