Flammen um Mitternacht
reden.“
Ihre
Sternenaugen weiteten sich. „Was, der sind Sie... eh... ich meine, Werner ist
nicht da.“
Sie wich
einen Schritt zurück, schien zu befürchten, auch Gunter könnte sie ‚an die
Birne hauen’. Jedenfalls: Sie wußte, wer er war. Aber das löste keinen
Freudentaumel aus. Offenbar kannte Honold seine Gegner. Hatte sich
rumgesprochen, daß ein Journalist — bekannt dafür, daß er Mißstände aufdeckte —
belastendes Material über ihn, Honold, sammelte, nach Beweisen für den
skrupellosen Menschenhandel suchte?
Wir sind
tatsächlich in der Höhle des Löwen, dachte Locke. Allerdings ist im Moment nur
die Löwin zu Hause.
Gunter
kündigte an, er verständige jetzt die Polizei, und griff zum Telefon.
Das war
nicht im Sinne der Dame — erstaunlicherweise. Aber sie sperrte sich nicht
lange, und Gunter telefonierte.
„Der
Streifenwagen kommt“, sagte er und legte auf. „Nun erzählen Sie mal, Fräulein
Schoeffe! Wer sind die beiden? Was wollten sie? Warum wurden sie gewalttätig?“
„Keine
Ahnung.“
„Wie bitte?“
„Ich weiß
nichts!“
„Wollen Sie
damit sagen, Sie kennen die nicht?“
„Habe sie
nie vorher gesehen.“
Ihre Miene
wurde aufsässig. Locke hätte tausend zu eins gewettet, daß sie log. Auch Toms
Gesicht drückte starke Zweifel aus an der Einlassung der Dame.
„Und was
war?“ fragte Gunter.
„Es
klingelte. Ich öffnete. Zwei Männer standen draußen. Sofort wurde ich gepackt.
Einer hielt mir die Augen zu. Der andere den Mund. Sie schleppten mich hierher
in den Wohnraum. Ich schrie um Hilfe. Sofort erhielt ich einen Schlag gegen...
den Kopf. Ich verlor das Bewußtsein. Mehr weiß ich nicht. Die beiden sind
sicherlich Diebe, Räuber. Sie... Huch! Ob sie was gestohlen haben?“
Sie blickte
umher. Aber die neutönerischen Möbel waren alle noch da.
„Dazu blieb
ihnen keine Zeit“, murmelte Gunter. „Sie konnten sich gerade noch in der Küche
verstecken, um dann — unerkannt, leider — zu türmen. Naja. Wann kommt Honold
zurück?“
„Nicht vor
heute nacht.“
Angeblich
wußte sie nicht, wo er zu erreichen sei.
Bei ihrer
Mein-Name-ist-Hase-ich-weiß-von-nichts-Schilderung blieb sie auch, als die
Polizei endlich anrückte.
5. Kapos auf Wache
Er hieß
Fromm — aber das verpflichtete zu nichts — und mit Rufnamen Ede. Er saß hinterm
Lenkrad seines Autos und räkelte die Schultern, wobei er einen Arm zum
geöffneten Fenster hinausstreckte, den andern über den Kopf des Beifahrers.
„Paß doch
auf! Meine Mütze!“ zischte Helmut Eckert neben ihm. Eben hatte er sich die 37.
Zigarette dieses Tages angezündet. Die schuckelte jetzt im Mundwinkel, während
beide Hände den Sitz der neuen Kamelhaarmütze korrigierten.
Eckert hatte
einen Mützen-Tick. Er besaß ein paar Dutzend. Zwar war sein Gesicht dafür nicht
gemacht — und er sah mit jeder recht blöd aus, aber das stachelte seine
Leidenschaft geradezu an.
Der Wagen
parkte an einer Straße, die aus dem Weichbild der Stadt hinaus scheinbar ins
Nichts führte. Denn über den Feldern waberte Nebel, und der Blick reichte nicht
weit. Aber auch bei Schönwetter bot sich kein Augenschmaus dar. Es war nicht
die Vorzeige-Seite der Stadt, sondern die häßliche Gegend hinterm
Industrieviertel mit einigen abbruchreifen Bauten, um deren Erhalt niemand
kämpfte. Nicht mal Hausbesetzer, es sei denn beknackte.
„’tschuldigung!“
Fromm grinste. Er hatte ein grobes Gesicht, und das linke Augenlid hing etwas.
Eckert
gähnte. „Ist ja ein fauler Job, und gut bezahlt wird er auch. Aber langweilig!
Wäre jetzt lieber in der City. Da hat ein neues Hutgeschäft aufgemacht. Gibt
schon die neuen Wintermützen aus Pelz.“
„Ich dachte,
du hast schon eine?“ frozzelte Fromm.
Eckert fuhr
sich mit beiden Händen über sein Bulldoggengesicht, als streife er Seifenschaum
ab.
„Na und? Du
sammelst Liebesabenteuer. Ich sammele Mützen.“
Was seine
Eroberungen betraf, pflegte Fromm zu prahlen. Neunzig Prozent war erlogen, und
Eckert wußte das. Aber Fromm gefiel sich in seiner Rolle als Schürzenjäger und
hielt sich — ein grober Mangel an Selbsteinschätzung — für unwiderstehlich.
Beide
arbeiteten für Honold. Sie waren Kapos wie Mollai und Luka bei Korac, der
verhaßten Konkurrenz.
Das Gespann
Fromm-Eckert galt als gefährlich. Beide trugen Waffen, und im Moment bewachten
sie das Haus, vor dem der Wagen stand.
Es war
verkommen. Plackenweise fiel der Putz ab. Industrieluft hatte die Wände grau
und
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