Flammen um Mitternacht
rußig gefärbt. Hinter blinden Fenstern vergilbten Gardinenreste. Und die
drei- oder vierköpfige Familie, die hier einstmals gewohnt hatte, war jetzt
sicherlich in komfortabler Umgebung.
Wer ahnte,
wen dieses Haus barg? Eine andere Familie, drei oder vierköpfig?
„Man hält’s
nicht für möglich, daß da 50 Kanaken reinpassen“, meinte Eckert. Sein Kinn wies
zum Haus.
„Sie passen
nicht rein“, feixte Fromm. „Schon mit zehn Mann wäre die Scheune überbelegt.
Aber Werner Honold macht’s möglich. Zwei Quadratmeter pro Nase — das muß eben
reichen. Sind ja nicht als Touristen hier, die Kanaken.“
„Doch.
Jedenfalls offiziell ( amtlich )! hahahah!“
Sie
beobachteten die Fenster, wo sich ab und zu ein Gesicht zeigte. Ob eine Miene
voller Hoffnung oder schon von Zweifeln geplagt — ließ sich nicht erkennen:
nicht durch den Schmutz auf den Scheiben.
„War ein
toller Streich, Korac die Leute abzunehmen“, meinte Eckert.
„Unser Chef
riskiert eben was.“
„Richtig so.
Er zeigt’s dem Kanaken. Korac ist ja auch ein Kanake. Soll doch froh sein, daß
er hier mitmischen darf. In dem Rahmen, den wir im gestatten. Denn wir sind hier zu Hause. Habe ich recht?“
„Darauf
kannst du deine schönste Mütze wetten.“
Eine Weile
schwiegen sie.
Eckert
steckte sich den 38. Sargnagel zwischen die Wulstlippen.
Als sich von
der Stadt her ein Wagen näherte, äugte Fromm in den Außenspiegel. Scharfen
Auges erkannte er, wer da kam.
„Zsss-zsss“,
schnalzte er. „Wir kriegen Damenbesuch. Petra Fiedler, wenn mich nicht alles
täuscht. Schickes Weib. Und die steht auf mich. Werde mir mal einen Abend für
sie freihalten.“
Eckert
kannte das Mädchen nur flüchtig. Sie war 19 und auf billige Weise hübsch, aber
nicht ganz dicht unter ihren brandroten Löckchen. Das wurde ihr nachgesagt, und
ihr zickiges Verhalten verstärkte den Verdacht.
Sie fuhr
einen italienischen Kleinwagen, der infolge zahlreicher Auffahr- und
Anprallunfälle ein würfelförmiges Format erreicht hatte. Der Auspuff klapperte.
Das Vehikel hielt hinter Fromms Wagen, und die Kapos zogen die Köpfe ein. Denn
Petra bremste in letzter Sekunde.
„Woher die
nur immer weiß, wo sie mich findet?“ Fromm lächelte erwartungsvoll.
Petra
Fiedler — sie war’s tatsächlich in eigener Person — entstieg ihrem Würfelauto.
Sie war ein
großes Mädchen und bunt gekleidet: rote Pumphosen unter einem blauen
Flatterrock, dazu Stiefel. Weitere Farben wurden von Bluse, Pulli, Weste und
Jacke verkörpert. Der violette Strickschal war mindestens zwei Meter lang.
Sie
stiefelte zum Haus.
„Heh!“ Fromm
stieß den Schlag auf und stemmte sich ins Freie.
„Fräulein
Fiedler!“
Sie drehte
sich um. Blauäugige Doofchen-Augen blickten erstaunt.
„Jaaahhh?“
intonierte ( anstimmen ) sie. Dann erkannte sie ihn und kam um den Wagen
herum.
„Hallo,
Fräulein Fiedler!“ Sein Grinsen verbreiterte sich bis zu den Ohren. „Wohin
wollen Sie, wenn ich fragen darf?“
Sie lehnte
sich an die Motorhaube und begann, den Zwei-Meter-Schal um ihren Schwanenhals
zu wickeln: bis hoch zur Nasenspitze.
Durch die
Wolle sagte sie: „Hach, ich suche diesen süßen Türken. Diesen Mustafa Göksun.
Der hat mir das Herz gebrochen. Muß ihn unbedingt wiedersehen.“
Fromms
Grinsen fiel zusammen wie ein Kartenhaus.
Eckert stieß
ein meckerndes Lachen aus und rückte an seiner Mütze.
„So“, sagte
Fromm dümmlich, „Sie müssen ihn wiedersehen.“
„Unbedingt!“
Petras Wimpern flatterten. „Ist er nicht süß. Sie kennen ihn doch?“
„Freilich
kenne ich ihn. Er hat ja lange genug in der Bude hier gehaust. Aber das war
einmal. Mustafa Göksun ist jetzt Laufbursche bei Otto Heidenreich.“
„Och! Hier
ist er also nicht?“
„Hier ist er
nicht.“
Plötzlich
wurde sie wütend. „Dieser Mistkerl weicht mir aus.“
Das könnte
mir nicht passieren, dachte Fromm. Verdammt! Was findet sie nur an diesem
Muselman (Mohammedaner) ? Schwarze Locken sind doch nicht alles!
„Aber der
entwischt mir nicht!“ behauptete Petra Fiedler hemmungslos, rollte die
Doofchen-Augen und begann, ihren Schal abzuwickeln. „Ist er nicht süß?“
„Hübscher
Schal“, stellte Fromm fest.
„Ich meine
doch Mustafa.“
Eckerts
mißtönendes Gelächter füllte den Wagen. Aber Fromm verzog keine Miene.
„Arbeitet er
also bei Heidenreich“, vergewisserte sie sich abschließend. „Da finde ich ihn.
Dieser Schlingel!“
Sie nickte
Fromm zu und stiefelte zu ihrem Auto
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