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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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kratzen.
    Dem Pärchen
entging nicht, daß noch zwei andere lauschten — mit Mienen wie Zahnweh und
Durchfall. Der eine hatte ein grobes Gesicht mit hängendem Augenlid. Der andere
ähnelte fatal einer Bulldogge und krönte sein Haupt mit einer modischen Kamelhaarmütze.
    „Für Ihren
Einsatz“, sagte einer der Beamten zu Tom, „werden wir Sie beim
Oberbürgermeister als Anwärter für die Lebensrettermedaille vorschlagen, Herr
Conradi.“
    „Um Himmels
willen, nein! Ich habe überhaupt nichts gemacht,
höchstens mich selbst in Gefahr gebracht. Es hieße, diese schöne Auszeichnung
mißbrauchen.“
    „Aber Sie,
Fräulein Rehm…“, begann der Beamte. Doch auch Locke wehrte ab.
    „Auf keinen
Fall. Ich stand nur rum und hatte Angst. Die Türken haben sich selbst gerettet.
Was wird jetzt mit ihnen?“
    Ein Beamter,
der sich bis jetzt um die Illegalen gekümmert hatte, hörte die Frage und trat
hinzu.
    „Ich glaube,
die Männer verstehen mich ganz gut, aber sie stellen sich dumm. Einige
radebrechen. Sie wären Touristen. Sie leugnen, daß sie hier wären um illegal zu
arbeiten. Den Namen Honold hätten sie noch nie gehört. Freundliche Menschen —
deren Namen sie natürlich nicht kennen — hätten ihnen dieses Quartier
angewiesen. Was mit ihnen nun geschieht, Fräulein Rehm? Das Übliche. Sie werden
in ihre Heimat abgeschoben. Jetzt nehmen wir sie erstmal in Abschiebehaft,
damit sie morgen nicht anderswo als Illegale auftauchen.“
    „Und was
wird gegen Honold unternommen?“ fragte Tom. „Gegen Korac und Konsorten?“
    Der Beamte
zuckte die Achseln. Das sei Sache des zuständigen Dezernats ( Sachgebiets )
bei der Kripo.
    „Wir müssen
Sie bitten, zum Präsidium mitzukommen“, wurde dem Pärchen gesagt. „Wegen des
Protokolls. Immerhin handelt es sich um ein Verbrechen der Brandstiftung. 50
Menschenleben waren in Gefahr. Das kann zur Anklage wegen Mordversuch führen.“
    Die beiden
fügten sich, obwohl sie diesen öden Papierkram schon kannten.
    Ein
Streifenwagen fuhr sie bis dorthin, wo Toms Roller versteckt war. In
gemeinsamer Anstrengung hievte man den flotten Hirsch in den Kofferraum.
    Locke, die
als zartes Geschöpf nicht zu helfen brauchte, machte sich indessen Gedanken.
    Sie hatte
den Blick aufgefangen, mit dem der Raubfischtyp die beiden anderen Lauscher
bedachte: den mit dem hängenden Augenlid und den Bully mit der Mütze. Einen
Blick hatte der abgeschossen, für den der Waffenschein Pflicht sein müßte. Und
wie die beiden zurückgeglubscht hatten! Wie Henker, die sich nicht entschließen
können, ob sie den Delinquenten ( Angeklagten ) vierteilen oder hängen
sollen.
    Könnte
durchaus sein, dachte sie, daß das Ganoven waren aus feindlichen Lagern.
Scheibenkleister! Dann wissen sie jetzt genauestens Bescheid. Fragt sich nur:
Wer gehört zu Korac und wer zu Honold?
    Während der
Fahrt zum Präsidium kam sie mit Tom überein, morgen die Schule zu schwänzen.
    „Die Razzia
( überraschende Polizeiaktion) auf der Baustelle Feldkirchner Straße
dürfen wir uns nicht entgehen lassen“, meinte sie überzeugt. „Sowas zu
beobachten, festigt die Allgemeinbildung. So ungern ich dem Unterricht
fernbleibe — im Interesse meiner geistigen Abrundung muß ich mich dazu
überwinden.“
    Tom grinste.
„Klar! Das müssen wir.“
    „Vielleicht
bietet sich uns eine Möglichkeit, dem legalen (gesetzmäßigen )
Arbeitsmarkt im Baugewerbe zu helfen.“
    „Eine schöne
Aufgabe“, nickte er.
    „Zumal mein
Papi nicht kommen kann. Er schickt Kunert, den Pressefotografen.“
    Gunter war
morgen vormittag verhindert. Unglaublich, aber wahr! Sein oberster Chef, der
Tagblatt-Verleger, hatte ihn zu sich bestellt: auf den noblen Landsitz
außerhalb der Stadt, um mit ihm wichtige strukturelle ( das Gefüge eines
Betriebes betreffend) Änderungen beim Tagblatt zu besprechen.
    „Wird eine
kurze Nacht“, meinte Tom.
    „Wie spät
ist es eigentlich?“
    „Bald halb
eins.“
    „Dann war es
Mitternacht, als das Schimmelhaus brannte.“
    „Ungefähr.“
    „Die Türken
können sich freuen“, sagte Locke. „In der Abschiebehaft ist es sicherlich
hundertmal gemütlicher als im Schimmelhaus.“
    Die beiden
Beamten vorn, die offenbar zugehört hatten, lachten auf.
    „Da können
Sie recht haben, Fräulein Rehm.“
    Der
Beifahrer drehte sich um. „Was für eine Razzia ist das denn morgen vormittag?“
    „Auch das
betrifft diesen Korac“, antwortete Locke. „Er bringt etliche Arbeitskolonnen
zur Baustelle Feldkirchner

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