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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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jetzt nicht mehr an.
    Draußen war
es dunkel und kalt.
    Der also
wollte, daß Papi in die Tiefe stürzt, daß die Schoeffe ihn aus dem 12. Stock
hinunterstößt, dachte Locke. Und jetzt bin ich ihm ausgeliefert. So ein elendes
Schicksal! Und Tom ist in Michelsdorf, weil sein Roller streikt. Und kommt er
nachher, bin ich verschwunden. Das Haus ist leer, und er kann sich keinen Reim
darauf machen. Und Honold verschleppt mich. Oh, ist das furchtbar!
    Honold
behielt die Pistole in der Hand.
    Sie kamen an
Webers Blockhütte vorbei, und Locke dachte an den Staatsanwalt und dessen Frau
Carola. Alles, was die beiden betraf, ging ihr durch den Kopf. Aber jetzt, in
dieser Situation, hatte auch das seinen Schrecken verloren.
    „Halt!“
befahl Honold. „Da war ein Geräusch.“
    Sie blieben
stehen.
    Aber nur der
Abendwind raschelte im Laub. Über dem Wald stieg das Mondhörnchen auf.
    Sie kamen an
dem Busch vorbei, hinter dem Tom und Wachtmeister Henning hockten.
    Toms Augen
hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Er starrte auf Honolds Hand, die die
Waffe hielt.
    Die Mündung
wies nach unten, nicht auf Locke.
    Als Honold
an dem Busch vorbei war, schnellte Tom hervor. Seine brettharte Handkante traf
Honolds Arm, lähmte ihn auf der Stelle, und die Pistole fiel klirrend zu Boden.
Mit dem zweiten Schlag setzte Tom den Verbrecher außer Gefecht.

    Er lag lang,
ehe er begriff, was vorging, und der Inhalt seiner Einkaufstüte verstreute sich
über die Straße.
    „Tom!“
jauchzte Locke.
    Dann warf
sie sich in seine Arme.
    Wachtmeister
Henning, Dorfpolizist aus Großbeeren, schüttelte den Kopf. Da hat dieser
Bursche auch den Honold noch erwischt, dachte er. Für andere läßt der wohl gar
nichts übrig?
     
    *
     
    Honolds
Verhaftung setzte einen deutlichen Schlußpunkt unter den verwerflichen Handel
mit illegalen Arbeitern — jedenfalls hier in der Stadt und vorläufig; denn mit
der Wurzel hatte man das Übel leider nicht herausgerissen. Die Voraussetzungen
für Ausbeutung und Sklavenarbeit im Baugewerbe bestanden nach wie vor.
    Die Prozesse
hatten noch nicht stattgefunden. Aber man konnte mit Sicherheit erwarten, daß
alle Verantwortlichen — jene Latte Ganoven, die Tom dem Wachtmeister Henning
aufgezählt hatte — daß sie alle hart bestraft wurden. Nicht anders sah Claudia
Schoeffes Zukunft aus. Doch Gunter nahm sich vor, bei Gericht zugunsten der
Frau auszusagen — war sie doch im letzten Moment an ihre Hemmschwelle gestoßen,
an jene innere Schranke, die den Menschen daran hindern soll, seinesgleichen zu
vernichten.
    Bedauerlich
blieb, daß der Baulöwe Otto Heidenreich nach wie vor unantastbar schien, obwohl
er von allen Machenschaften wußte und sie — unbeweisbar — mit seinem Geld erst
ermöglichte. Zur Zeit war er vorsichtig. Er beschäftigte nur legale
Arbeitskräfte. Aber wie lange.
    Locke und
Tom wurden öffentlich geehrt, was ihnen peinlich war. Mustafa kündigte seine
Stellung bei Heidenreich, denn Gunter hatte ihm einen anderen Job besorgt: auf
einem Bauernhof, wo der junge Türke mit Tieren umging, was ihm viel Spaß
machte.
    Üsküd Bursa,
der hinterhältige Typ, war nach Istanbul zurückgekehrt und hatte geschworen,
nie wieder deutschen Boden zu betreten.
    Eine Woche
war jetzt seit Honolds Verhaftung vergangen. Es war Samstag; und Tom kam schon
vormittags zu seiner Freundin, um mit ihr zu basteln. Sie bauten ein
nostalgisches (Nostalgie = Sehnsucht , meist nach früherer Zeit) Puppenhaus, das den Weihnachts-Bazar (Bazar = Markt für
Wohltätigkeitszwecke) des Goethe-Gymnasiums bereichern sollte.
    Tom hatte
sich gerade in den Daumen gesägt.
    Locke sagte:
„Lutsch das Blut ab und versau mir nicht den Teppich.“
    In diesem
Moment kam Gunter herein. Seine Miene war ernst. „Es ist soweit“, sagte er.
„Eben hat Staatsanwalt Weber angerufen.“
     
    *
     
    Es lag nun
lange genug zurück, daß sie eingebrochen war: in ihr eigenes Wochenendhaus.
Kühl, als hätte es mit ihr nichts zu tun, dachte Carola Weber daran.
    Wie
geschickt sie das gemacht hatte! Sie war sehr mit sich zufrieden. Hatte sie
doch nur soviel verwüstet, wie man das von Einbrechern erwarten darf, die weder
Bargeld noch Schmuck finden und ihre Enttäuschung in Wut umsetzen.
    Sicherlich!
Das Durcheinander diente nur der Ablenkung. Denn ihr, Carola, ging es um Mord.
Den hatte sie vorbereitet. Den Mord an Josef Weber, ihrem Mann.
    Wie genau
sie sich noch an jene Nacht entsann, als sie den Eiswürfelbehälter aus dem
Kühlfach nahm. Sie hatte

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