Flammen um Mitternacht
nicht belangt. Sie ist nicht ganz dicht.“
Tom nahm ihr
Gesicht in beide Hände und küßte sie auf die Nasenspitze.
„Es ist
spät, mein Schatz. Ich bringe dich nach Hause.“
15. Eiswürfel und
Platzpatronen
Honold zwang
sich, langsam zu gehen.
Verdammt!
Hatte man ihn erkannt? Dieser Blick der Kassiererin! Oder glotzte die jeden so
an?
Seit drei
Tagen war er jetzt hier in Kleinbeeren. Seit drei Tagen wagte er sich
nirgendwohin. Seit drei Tagen Hunger. Jetzt brauchte er was. Und der Einkauf im
Supermarkt war noch das geringste Risiko, zumal er sein Haar anders gekämmt und
eine Sonnenbrille aufgesetzt hatte.
Er klemmte
sich die Plastiktüte mit den Lebensmitteln unter den Arm und trat auf die
Straße.
Nach zehn
Minuten Fußweg bog er zum Ferienpark ab. Kein Mensch war zu sehen. Rechts und
links nur die Land- und Wochenendhäuser, umgeben von Sträuchern und Bäumen,
jedes für sich, abgeschirmt vom Nachbarn.
Jetzt war
Spätherbst und die Welt hier wie tot.
Natürlich
hatte ihn einige Dorfbewohner gesehen. Was würden sie denken? Dasselbe wie die
Angestellten des Supermarktes: einer der Fremden. Einer vom Ferienpark. Einer,
der hier ein paar ruhige Tage verbringt. Vielleicht arbeitet er Akten auf. Und
überhaupt, warum nicht?
Für einen
Moment blieb er stehen. Er faltete die Zeitung auseinander und stellte, um
beide Hände frei zu haben, die Einkaufstüte zwischen seine Füße.
Von der
ersten Seite hatten ihn andere Greueltaten verdrängt. Aber auf der vierten fand
er sich. Sogar ein Fahndungsfoto hatte man gebracht, wieder mal.
... hat sich
der wegen Mordversuchs und Bildung einer kriminellen Vereinigung gesuchte
Werner Honold... vermutlich ins Ausland abgesetzt...
Von Claudia
war nicht mehr die Rede. Aber das kümmerte ihn wenig. Er dachte kaum noch an
sie.
Er warf die
Zeitung in einen Papierkorb.
Hier fanden
sie ihn nie. Heidenreichs Tip war unbezahlbar. Und das Kreudersche Landhaus
sehr komfortabel und gemütlich. Frühstens zu Weihnachten würde sich der
Besitzer daran erinnern. Aber dann, Honold grinste, wollte er längst in
Nordafrika sein.
Es dunkelte
früh an diesem Tag. Honold schritt die Auffahrt zum Landhaus hinauf.
Als er die
Büsche zur Terrasse umrundete, blieb er wie angewurzelt stehen.
Auf dem
Kfz-Abstellplatz stand ein — Mofaroller. Mit dem Kennzeichen der Stadt.
Eisfinger
schienen über sein Rückgrat zu streichen. Er tastete nach der Pistole unter
seiner Jacke, verharrte und dachte nach.
Er war nicht
gewaltsam in das Haus eingedrungen, sondern mit einem erstklassigen Dietrich,
der so reibungslos funktionierte wie der richtige Schlüssel zur Tür. Ein Glück,
wie er festgestellt hatte, als er drin war. Denn bei gewaltsamem Eindringen
hätte die Alarmanlage die Polizei alarmiert. Oder?
Grinsend
erkannte er dann: Die Anlage war nicht eingeschaltet. Das hatte man vergessen.
Jetzt
schlich er durch die Dämmerung zum Fenster. Im Kaminzimmer brannte Licht. Die
Tür zur Küche stand offen.
Ein Mädchen
kam die Treppe herunter, hielt zwischen den Händen ein goldenes Kettchen mit
einem Herz als Anhänger und lächelte freudig.
Er kannte
das Kettchen. Im Bad hatte es auf der Fensterbank gelegen. War die Göre deshalb
gekommen?
Sie mochte
15 sein, hatte langes dunkles Haar, märchenhafte Augen und einen
ausdrucksvollen Mund. Sie war schlank und hochgewachsen. Jetzt zog sie die rote
Steppjacke aus und legte sie über einen Sessel. Im selben Moment bemerkte sie
seine Klamotten.
Er
zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen.
Sein Jackett
hing über einer Stuhllehne, und im Jackett steckte
seine Brieftasche. Die hatte er zurückgelassen, als er zum Supermarkt ging —
vorsichtshalber. Er trug jetzt nur seinen Mantel über dem Pullover.
Verdammt! Wer
hatte ahnen können, daß die Göre hier auftaucht!
Offenbar war
das eine der Kreuders. Sie schien zu wissen, was hierher gehörte und was nicht.
In dem Schlafzimmer, das er benutzte, war sie anscheinend noch nicht gewesen.
Jetzt hielt
sie seine Brieftasche in der Hand.
Jetzt hatte
sie den Führerschein aufgeklappt.
Honold sah,
wie der Schreck ihr Gesicht überzog.
*
Der
Streifenwagen des Polizeipostens Großbeeren hielt in diesem Augenblick hinter
dem Supermarkt.
Wachtmeister
Henning stieg aus und trat zu dem Mann, der an der Hintertür wartete. Er trug
den Arbeitskittel der Angestellten, rauchte und kam sich wichtig vor.
„Ich bin ihm
gefolgt“, erklärte er wichtig. „Nachdem meine Kollegin ihn erkannt
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