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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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darauf zu. Der Zug ratterte immer noch an ihr vorbei.
    Der damalige Mörder hatte sein Opfer nicht nur am Fundort getötet, sondern Kopf und restliche Leiche auch noch an verschiedenen Plätzen, nur dreihundert Meter voneinander entfernt, abgelegt. Doch der Körper war erst am darauffolgenden Tag entdeckt worden. Was würde der Mörder von heute tun? Es ignorieren? Abspringen, enthaupten, die Leiche zurücklassen, zurück auf den Zug springen und den Kopf später abwerfen?
    Das konnte tatsächlich funktionieren. Die Leiche hatte man in der Nähe der Brücke gefunden, den Kopf zwischen Brücke und Kinsman Road. Ihre Schenkel schmerzten, doch sie ging in die Knie und kroch an dem Bahnsteig entlang, den Kopf unter der Kante. Der Regen hatte ihr Leinenjackett bis auf die Haut durchnässt, und nur allein deswegen zitterte sie. Zumindest redete sie sich das ein.
    Da bemerkte sie eine Bewegung.
    Westlich des verlassenen Bahnsteigs war ein dunkler Fleck vor dunklem Hintergrund zu erkennen. Ein Tier? Gestrüpp, das der vorbeifahrende Zug verweht hatte? Ein Polizist, der sich fragte, wer zum Teufel sie war? Der vielleicht gerade auf sie zielte?
    Noch ein Schritt. Definitiv eine Bewegung.
    Sie kroch langsam voran, seltsamerweise verspürte sie keine Furcht. Der Mörder würde ihr nichts tun; sie war eine Frau, und sie zu töten würde die historische Genauigkeit zunichtemachen.
    Allerdings hätte dann Peggy Hall eine korpulente Gelegenheitsprostituierte in den Vierzigern sein müssen. Vielleicht war Authentizität doch nicht seine oberste Priorität.
    Theresa bewegte sich schneller. Sie glaubte, die Bewegungen zu hören, doch das war unmöglich, nicht über den Lärm des Zuges. Wahrscheinlich war es Frank, und sie würden sich gegenseitig zu Tode erschrecken wie damals als Kinder, als sie in Onkel Glens Keller Fangen gespielt hatten.
    Da war es. Eine große Gestalt in Regenmantel und Hut; nicht Frank, auch kein anderer Polizist. Irgendein schwarzes Gewebe verbarg sein Gesicht, er hielt ein Bündel in den Armen. Sie wusste genau, was es war.
    Einen Moment lang stand er bewegungslos da und beobachtete den fahrenden Zug. Theresa verharrte vollkommen still, und doch zuckte sein Kopf in ihre Richtung, als ob sie auf- und abspringen würde.
    Angst stieg in ihr auf. Lähmende Angst, die ihren Magen verkrampfen ließ und ihr die Luft aus den Lungen trieb.
    Er sprang auf die Gleise und packte geschickt einen der Haltegriffe an einem Güterwaggon, zog sich mit katzenhafter Anmut in die Höhe, anders als sie oder Edward Corliss es je gekonnt hätten. Er verschmolz mit dem Waggon, als wäre er ein Teil davon.
    Ihr Füße setzten sich in Bewegung, ehe sie es überhaupt realisierte, als er links an ihr vorbeikam, bis sie das Ende des Bahnsteigs erreicht hatte. Eine Leiche lag auf der Erde, unbekleidet, ohne Kopf.
    Instinktiv drehte sie sich um und hechtete auf den Zug zu. Er hatte es geschafft.
    Aber sie würde es ebenfalls schaffen.
    Ein weiterer Waggon rauschte an ihr vorbei. Der hier – siehst du die Griffe? Das Licht der Brückenlampen wurde von dem Metall zurückgeworfen. Pack zu, zieh dich hoch. Deine Füße müssen mitkommen, lass sie nicht in die Räder geraten, damit sie nicht an den Knöcheln abgetrennt und zermalmt werden.
    Sie streckte eine Hand aus.
    Ein Griff traf sie, hart genug, um den Knochen zu brechen, und Theresa stolperte, landete mit der Schulter im Schotter, nur Zentimeter von den sich drehenden Metallrädern entfernt.
    Sie blickte auf. Der Mörder beobachtete sie immer noch von seinem Waggon aus, an dessen Seite er mühelos hing, der Zug konnte also nicht schnell fahren. Es war nur der Impuls. Masse mal Geschwindigkeit.
    »Frank!«, schrie sie in dem eher hoffnungslosen Versuch, die Polizisten in der Nähe zu alarmieren, rappelte sich auf und rannte an den Waggons entlang. So machte man das doch im Film, die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen sich und dem Zug verringern.
    Doch das metallene Ungetüm war zu schnell. Sie würde es beim nächsten Waggon noch einmal versuchen müssen.
    Einen Moment lang fragte sie sich tatsächlich, was sie tun würde, wenn sie den nächsten Griff erwischte. Auf dem Zug konnte sie sich nicht auf den Mörder zubewegen, die Waggons waren nur über die Kupplungen miteinander verbunden, doch immerhin würde sie sehen, wo er absprang. Sie würde ihm folgen können, ihm hinterherlaufen, doch außerhalb des Tatorts müsste er sich um einen weiteren Mord, der das Bild zerstören könnte, keine

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