Flammenbraut
Gedanken machen.
Doch zuerst musste sie diesen verdammten Griff erwischen.
Ein leises Geräusch drang an ihre Ohren, vielleicht Frank, der ihren Namen rief. Hoffentlich. Dieser Waggon war fast schon an ihr vorübergefahren, dann kam die Kupplung, streck die Hände aus …
Der Mörder warf das Bündel zur Seite wie einen Basketball nach Spielende. Es landete auf dem sich verengenden Grasstreifen, genau in Theresas Bahn. Wenn sie nicht stehen blieb, würde sie darüber stolpern.
Ihre rechte Hand bekam den Griff zu fassen. Es tat weniger weh als beim ersten Mal. Dann rutschte ihr rechter Fuß im Schotter weg, und sie stürzte, rollte sich instinktiv zu einer Kugel zusammen, um alle Extremitäten vom Zug fernzuhalten.
Mit dem Gesicht im Schotter blieb sie liegen, ihre Knie nur Zentimeter von den Schienen entfernt, doch insgesamt war sie unversehrt.
Sie öffnete die Augen und sah in ein Gesicht, das blicklos zurückstarrte. Der Mörder hatte den Kopf, in die Hose eingewickelt, weggeworfen, genau wie sie es erwartet, genau wie der Torso-Mörder es vorgemacht hatte.
Er beobachtete sie immer noch vom Zug aus, der sich mit jeder Sekunde weiter nach Osten bewegte, schneller wurde, je weiter er sich von den Innenstadtbereichen entfernte. Konnte der Mann ihre Reaktion von dort aus erkennen, oder genoss er es einfach, noch länger auf das von ihm inszenierte Schauspiel zu blicken?
Frank holte sie ein. »Tess, ich habe gesehen, dass du gestürzt bist, bist du verletzt? Was machst du hier, verdammt noch mal?«
»Er hat es getan. Umzingelt von Cops, und er hat es dennoch geschafft.«
Frank schaltete seine Taschenlampe ein, um den Kopf näher zu betrachten, auch wenn dieser im Licht der Parkplatzlaternen gut zu sehen war. Er öffnete den Mund, doch offenbar fiel ihm nichts Angemessenes ein, weshalb er stattdessen sein Funkgerät herausholte. Er stellte eine Verbindung zur Bahntelefonzentrale her und wies die Leute an, den Zugführer den Zug stoppen zu lassen, auch wenn sie beide wussten, dass der Mörder bis dahin schon längst verschwunden sein würde.
»Er hat es geschafft«, wiederholte Theresa.
»Verdammt«, erwiderte Frank.
37
Freitag, 10. September
Wenigstens hatte es zu regnen aufgehört.
Bei der Leiche am anderen Ende des verlassenen Bahnsteigs handelte es sich um einen älteren Mann, die äußeren Verletzungen beschränkten sich auf den fehlenden Kopf. Die Hände waren sauber und sorgfältig manikürt. Drahtiges graues Haar bedeckte die Brust, die ein paar Kilo mehr hätte vertragen können. Unter dem Körper hatte sich eine tiefrote Blutlache ausgebreitet.
Es dauerte eine Weile, den Zug zurückzurufen, der jetzt langsam rückwärts ins Tal einfuhr – natürlich erst nachdem man die Schienen nach Spuren abgesucht hatte. Die Conrail-Lokomotive zog eine Reihe von siebenundfünfzig Waggons Richtung New Castle – bei diesem Detail lief Theresa ein Schauder über den Rücken – mit unterschiedlicher Ladung. Jeder Waggon war von Polizei und Don Delgado abgesucht worden, jedoch ohne Ergebnis. Keine zerrissenen Kleidungsstücke, keine Mordwaffe, kein Tropfen Blut.
Theresa konnte auch keine Blutspur von den Gleisen zu der Leiche finden, weshalb man davon ausgehen musste, dass der Mann nicht im Zug enthauptet worden war. Wenn ja, hätte der Mörder sein Opfer einfach abwerfen können, ohne selbst hinterherzuspringen. Nein, er hatte den Mord von damals so originalgetreu wie möglich nachstellen wollen. Er war mit dem offensichtlich bewusstlosen Mann vom Zug gesprungen, hatte ihn enthauptet und war dann zurück auf den Zug geklettert. Er musste sehr stark sein, aber das wusste Theresa bereits. Wie der Torso-Mörder von damals hatte er zwei erwachsene Männer zumindest ein Stück weit den Jackass Hill hinuntergetragen – das schaffte nicht jeder.
Hatte er sein Opfer wenigstens schon auf dem Zug entkleidet, oder hatte er das vor oder nach der Enthauptung auf dem verlassenen Bahnsteig getan, während Theresa sich an ihn heranschlich? Sie konnte es kaum glauben. Jede Sekunde dieses Abends schien wie in Zeitlupe abgelaufen zu sein, doch sicher hatte er im Grunde kaum Zeit zur Verfügung gehabt. Er hatte gewusst, dass die Polizei vor Ort sein würde, und er hatte einen Zug erwischen müssen.
Theresa suchte die etwa drei Meter zwischen den Schienen und der Leiche drei Mal ab, bevor sie schließlich aufgab. Der Mörder hatte keine Hinweise auf seine Identität hinterlassen, was sie doch ziemlich unfair fand. Schlimm
Weitere Kostenlose Bücher