Flammenbraut
unbedingt einfacher. Man hatte den Green-River-Killer erst nach zwanzig Jahren gefasst.
Wie sich herausstellte, hatte Theresa unter der einzigen nicht funktionierenden Lampe des Parkplatzes geparkt. Laub fiel um sie herum zu Boden, als sie in ihrer Tasche nach den Autoschlüsseln suchte. Hinter ihr wurde eine Tür zugeschlagen, wahrscheinlich der Empfangsmitarbeiter, der wieder an seinen Platz ging.
Natürlich war es nicht selbstverständlich, dass die Polizei heute mehr Erfolg bei den Ermittlungen hätte. »Diese Beschreibung passt auf viele Menschen.« Sie bemerkte, dass sie laut mit sich selbst sprach, wie es diejenigen gern tun, die zu oft allein sind. »Auch wenn die forensische Wissenschaft …«
Hinter ihr erklang ein kratzendes Geräusch, zu laut für ein Blatt, und ließ sie mitten im Satz innehalten.
»Hallo, Ma’am …«
Die Hand noch in der Tasche wirbelte sie herum. Der Mann war mindestens fünfzehn Zentimeter größer als sie und mindestens dreißig Kilo schwerer. Er trat näher, sein Gesicht lag im Schatten. Er trug eine dunkle Hose und ein dunkles Jackett und hielt etwas in der Hand.
Theresa zog ihren Arm aus der Tasche, ihre Finger umklammerten eine kleine Dose mit Pfefferspray. »Bleiben Sie stehen! Kommen Sie keinen Schritt näher!«
Er hielt inne und hob die Hände. Etwas fiel mit einem harmlosen Klatschen auf den Asphalt. Ein Notizbuch. »Hey, immer mit der Ruhe. Bitte nicht sprühen. Hören Sie, Miss MacLean …«
»Woher kennen Sie meinen Namen?« Theresa blickte an ihm vorbei über den Parkplatz, das Spray immer noch im Anschlag, und hoffte, der Empfangsmitarbeiter würde zurückkehren.
»Das ist mein Job.« Er drehte sich leicht, sodass im Dämmerlicht ein Schopf modisch zerzauster Haare und eine kantige Nase sichtbar wurden, doch seine Augen blieben weiterhin im Dunkeln. »Ich bin Korrespondent – ein Recherchemitarbeiter für den Plain Dealer . Mein Name ist Brandon Jablonski. Uns ist zu Ohren gekommen, dass Sie ein weiteres Opfer des Torso-Mörders drüben an der Pullman Street gefunden haben, und würden gern eine ausführliche Reportage darüber machen, die Torso-Morde, die Hintergrundgeschichte, die Auswirkungen auf Cleveland. Könnte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?« Er senkte die Hände, nahm sein Notizbuch vom Boden auf und holte in einer fließenden Bewegung einen Stift hervor.
Doch er näherte sich ihr nicht, weshalb sie den Sprühknopf nicht betätigte. »Woher haben Sie diese Info?«
Er grinste, wobei er ebenmäßige Zähne und ein Kinngrübchen sehen ließ, und sah immer weniger wie ein verrückter Stalker aus. »Ich habe da so meine Quellen. Was können Sie mir über den Toten erzählen?«
»Nichts«, erwiderte sie. »Zumindest im Moment nicht. Weshalb glauben Sie, dass er ein Opfer des Torso-Mörders ist?«
Er ließ die Hände, die Notizbuch und Stift hielten, fallen. »Na kommen Sie schon – enthauptet auf einer Art Autopsietisch?«
Wieder fragte sich Theresa, wer wohl sein Informant war. Die Bauarbeiter? Mr. Lansky? Die Streifenbeamten?
Er fuhr fort: »Der Torso-Mörder hat Cleveland vier Jahre lang terrorisiert, wahrscheinlich länger. Er war Amerikas Version von Jack the Ripper, unerreicht in seiner Grausamkeit, und er wurde nie gefasst. Er hat Köpfe abgetrennt, Gliedmaßen, Genitalien. Doch er war kein Monster.«
»Den Eindruck hatte ich schon.«
»Ich meine, natürlich war er ein Monster, aber er war nicht verrückt. Die ganze Stadt hat in einer Zeit nach ihm Ausschau gehalten, als es kein Fernsehen gab oder iPhones oder das Internet – will heißen, die Menschen haben wirklich darauf geachtet, was vor ihren Türen passiert ist. Man kannte seine Nachbarn, man hat Zeitung gelesen. Und doch hat er sich zwischen ihnen bewegt, als ob er unsichtbar wäre.«
»Ich weiß«, erwiderte Theresa. »Aber ich kann nicht …«
»Er hat seine Opfer entführt, mit ihnen angestellt, wonach ihm gerade war, und dann hat er sie an öffentlichen Plätzen abgeladen. Und trotz allem konnte er entwischen. Er war so einzigartig, wie Serienmörder nur sein können. Ich habe unzählige Bücher über das Profiling gelesen und kann mir immer noch kein Bild von diesem Kerl machen, wer er war, was ihn angetrieben hat. Miss MacLean …« Er machte einen Schritt auf sie zu.
Sie hatte die Hand mit der Spraydose langsam sinken lassen, doch jetzt riss sie sie wieder hoch. »Bleiben Sie stehen.«
»Ich möchte doch nur ein paar …«
»Ich kann sie nicht beantworten. Alle
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