Flammenbraut
Polizeiabzeichen. »Es sieht genauso aus wie deins.«
»Da hat sich seit 1906 nichts geändert«, erklärte ihr Frank. »Leider haben Detective-Abzeichen keine Nummern, sonst hätten wir ihn auf diesem Weg identifizieren können.«
»Es gibt Verzeichnisse darüber, wer in den letzten fünfundsiebzig Jahren eine Marke ausgehändigt bekommen hat?«
»Eine Polizeibehörde ist reine Bürokratie. Man führt Listen von allem, eingeschlossen die Seriennummern von Dienstwaffen.« Er nahm die Pistole vom Tisch und zog sein Handy hervor. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die kleinen Ziffern auf der Waffe und dem Mobiltelefon.
Ihr Telefon klingelte. Wieder Chris. Sie klappte es zu, ohne den Anruf entgegenzunehmen. »War das Leo?«, fragte Frank und meinte damit ihren eher anstrengenden Chef. Er beobachtete sie mit seinem Handy am Ohr, offenbar hing er in einer Warteschleife.
»Nein.« Sie bürstete die letzten Flecken von der Polizeimarke und wich dem Blick ihres Cousins aus. Er hatte viele Eigenschaften eines älteren Bruders – aber leider nur die ärgerlichen. Wenn er ein unbequemes Thema roch, dann ließ er wie ein Hund nicht mehr los, bis das Kaninchen erlegt war.
Er hob nur eine Augenbraue, das Telefon immer noch am Ohr. »Wer war es dann?«
»Chris.«
»Cavanaugh?«
»Ja.«
»Du gehst nicht ran, wenn er anruft? Warum?«
»Weil ich gerade wichtigere Dinge zu tun habe.«
»Was hat dieser Fatzke denn getan, hat er dich versetzt?« Frank war noch nie ein Fan des bekannten Verhandlungsführers bei Geiselnahmen gewesen.
»Geht ja gar nicht, wir hatten noch kein richtiges Date.«
»Das sieht mir aber … was? Ja, ich bin dran.« Er gab die Seriennummer der Waffe durch, und Theresa wandte sich wieder dem Leichnam zu.
Außerdem, wenn zwischen ihr und Chris tatsächlich etwas gelaufen wäre, dann hätte er sie öfter als einmal pro Monat angerufen, anstatt ihr wegen einer Verabredung zum Mittagessen eine läppische SMS zu schicken, als ob sie dann alles für ihn stehen und liegen gelassen hätte. Und er hätte auch nicht die Tochter des städtischen Verwaltungschefs zu der Wohltätigkeitsveranstaltung des Cleveland Play House letzte Woche mitgenommen.
Natürlich konnte er das ohne Weiteres tun, denn sie waren ja nicht richtig zusammen. Außerdem war die Wohltätigkeitsveranstaltung eher ein politisches Event gewesen.
Theresa legte die Polizeimarke neben den linken Fuß des Toten. Der zu dem Fuß gehörige Schuh schien am großen Zeh mit Klebeband repariert worden zu sein.
Die Leute von der Gerichtsmedizin waren mit einer Säbelsäge auf dem Weg. Sie würde den Toten mit Papier abdecken, jedoch nicht mit Plastikfolie.
Frank klappte sein Handy zu. »James Miller.«
»Wie bitte?«
»Das CPD hat eine Smith & Wesson mit dieser Seriennummer einem James Miller zugeteilt.«
»Wie hast du das so schnell herausgefunden?«
»Der Leiter unseres Museums ist großartig, und er hat noch alle Aufzeichnungen von damals. Miller ist der Polizei 1929 beigetreten, 1932 zum Detective befördert worden, 1936 entlassen worden wegen Pflichtversäumnis.«
»Muss man denn nicht Marke und Pistole abgeben, wenn man gefeuert wird?«
»Normalerweise schon, ja. Der Museumsleiter muss noch ein paar andere Akten überprüfen, aber er sagt, es sei nicht ganz klar, warum Miller entlassen wurde. Das, was er bisher gefunden hat, könnte man auch so lesen, dass Miller seiner Pflicht nicht nachgekommen ist und deswegen entlassen wurde. Will heißen, er hat unentschuldigt gefehlt.«
Theresa sah nach unten, blickte automatisch an die Stelle, an der normalerweise der Kopf der Leiche gesessen hätte. »Würde ein Cop, der plötzlich verschwindet, nicht einen Riesenaufruhr verursachen?«
»Natürlich würde es das. Ich bin mir sicher, dass ermittelt wurde, aber es wird eine Weile dauern, diese Akten aufzutreiben. Falls es sich hierbei überhaupt um James Miller handelt und nicht um jemanden, der seine Marke und seine Waffe gestohlen hat, um sie zu verpfänden oder zu benutzen. Die Zeiten waren hart damals. Der Torso-Mörder war nicht der Einzige, der sich in Cleveland herumgetrieben hat.«
»Was meinst du damit? Es gab einen zweiten Serienmörder?«
»Ich meine die andere Art von Serienmördern – die Mafia. Cleveland war damals eine sehr weltoffene Stadt. In New York und Chicago hat man hart gegen die Mafiosi durchgegriffen, doch in Cleveland blieben sie unter dem Radar, und ein Großteil der Cops stand auf ihrer Gehaltsliste. Dieser
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