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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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schnitt mit einem Einwegskalpell ein Stück aus dem befleckten Holz und ließ es in einen kleinen Umschlag fallen. Sie markierte den Ort der Entnahme auf ihrer Tatortskizze und wiederholte die Prozedur an einer anderen Stelle der Wand. »Oder der Mann hier ist nicht der Einzige, der in diesem Raum getötet wurde.«
    »Glaubst du wirklich, dass wir es hier mit der Höhle des Torso-Mörders zu tun haben?«
    »Ich glaube, ich muss mich erst mal hinsetzen.« Nur ein Witz, da es nichts zum Hinsetzen gab. Doch das alles war wirklich zu viel: die seltsamen Umstände, die Zeitschleife, dass das Opfer ein Cop war, die mögliche Verbindung zu einem historischen Serienmörder. »Wer wird Mr. Lansky sagen, dass wir das Gebäude noch eine ganze Weile besetzen müssen?«
    »Ich stimme für dich.«
    »Ich stimme für Leo.« Ihr Chef hatte ein gutes Händchen für Leute, die sich für ihn vielleicht einmal als nützlich erweisen konnten – also für jeden außerhalb der Gerichtsmedizin –, und er verfügte auch über das Durchsetzungsvermögen, selbst das Lieblingsprojekt eines Stadtrates zu stoppen. Ob er allerdings auch Lust dazu hatte … Leos Gespür für Lokalpolitik übertraf sogar noch sein bemerkenswertes Talent für Forensik.
    »Viel Glück«, wünschte ihr ihr Cousin.
    Das Plastikskalpell, das eigentlich für Schnitte in weiches Fleisch und allenfalls noch in Stoff gedacht war, zerbrach, und die Klinge blieb in dem harten Holz stecken. Theresa versuchte dennoch damit weiterzuarbeiten und achtete darauf, nicht abzurutschen und sich zu verletzen. »Man hat es doch nicht eilig, oder? Jacobs plant nicht, hier ein Einkaufszentrum hinzusetzen oder so was?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Dann müssen wir das Gebäude wirklich gründlich untersuchen. Außerdem, wenn wir es tatsächlich mit dem Torso-Mörder in Verbindung bringen können, wird es der Rock and Roll Hall of Fame wahrscheinlich den Rang als größte Touristenattraktion der Stadt ablaufen.«
    »Du scheinst ja fast darauf zu hoffen.«
    Theresa widmete sich dem dritten Blutstropfen und zerbrach das Skalpell noch weiter. »Ich weiß nicht, worauf ich hoffe. Ich würde den Fall unglaublich gern gelöst sehen wie jeder in Cleveland. Aber ich will auch keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehen. Und wie sollen wir überhaupt in einem Mordfall ermitteln, der vierundsiebzig Jahre her ist? Wir können vielleicht nicht einmal DNA aus diesen alten Knochen gewinnen oder aus diesem alten Holz. Was, wenn das Blut nicht von ihm stammt? Was, wenn hier viele Opfer abgeschlachtet wurden – wie finden wir nach so vielen Jahren noch Vergleichsproben?«
    »Kopf hoch, Cousinchen. Wir zwei haben doch schon ganz andere kalte Fälle bearbeitet.«
    Theresa verschloss einen weiteren Umschlag mit rotem Klebeband. Ein metallisches Rattern vom Gebäudeeingang her verriet ihr, dass die Männer der Gerichtsmedizin mit einer Rollbahre und hoffentlich einer großen elektrischen Säge anrückten. »Dieser Fall ist nicht nur kalt. Der ist stocksteif gefroren. Eisig wie flüssiger Stickstoff.«
    »Darum brauche ich ja auch dich.«

4
    Montag, 23. September 1935
    Die Schlangen machten ihm Angst.
    Sie zogen sich die Straße entlang und um die Ecke, eine einreihige Ansammlung von Männern in abgetragener Kleidung und abgestoßenen Schuhen, die an der Tür zur Suppenküche endete. Sie alle würden versuchen, so viel wie möglich zu bekommen, die Suppe zu essen, vielleicht das Brötchen für später in die Tasche zu schieben oder um es der Familie mitzubringen. Ziemlich sicher würde das ihre einzige Mahlzeit des Tages bleiben.
    An manchen Tagen wandte James den Blick ab. An anderen zwang er sich, die Männer anzustarren, jeden als ein Individuum zu sehen und nicht als gesellschaftliche Außenseiter. Um sich in Erinnerung zu rufen, wie viel Glück er hatte, immer noch einen Job zu haben und etwas, das einem normalen Leben ähnelte. Er musste sie in Kauf nehmen, ja, aber die Alternative würde noch mehr kosten.
    Die Fahrertür öffnete sich, und sein Partner Walter McKenna ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Die ausgeleierten Sprungfedern protestierten unter seinem Gewicht. »Er hat nichts gesehen.«
    Sie hatten sich den ganzen Vormittag die Prospect Avenue entlanggearbeitet und die Händler befragt, die den Cops gegenüber entweder freundlich gesinnt waren oder sich mit denjenigen zusammenschlossen, die es nicht waren, auf der Suche nach Informationen über den Juwelenraub auf der Euclid Avenue die

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