Flammenbrut
nicht nötig, dass sie ihre Zeit mit sinnlosen Übungen verschwendete.
Aber die Vorstellung, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, hatte ihr keine Ruhe gelassen, wie ein Stein in ihrem
Schuh. Nachdem sie einen Großteil des Abends darauf verwandt hatte, sich einzureden, dass es reine Zeitverschwendung wäre,
hatte sie am nächsten Morgen Clive angerufen, um ihm zu sagen, dass sie etwas später kommen würde. Dann hatte sie sich auf
den Weg zur Universität gemacht.
Das windgerötete Gesicht des Bibliothekars verriet höchste Konzentration, während seine Finger mühelos über die Tastatur flogen.
«Ah. Da hätten wir’s», sagte er zufrieden. Er lehnte sich zurück, damit sie auf den Bildschirm schauen konnte. «Er hat elf
Einträge. Wollten Sie irgendeinen bestimmten Titel?»
«Nein, eigentlich nicht.»
Der Bibliothekar sah sie einen Augenblick lang neugierig an, sagte aber nichts dazu. Er zeigte ihr, wie sie die Zusammenfassung
jedes Artikels einzeln abrufen konnte. «Die Artikel selbst gibt es nicht auf CD-ROM, aber die meisten Zeitschriften müssten
wir eigentlich hier haben, falls Sie Fotokopien brauchen.»
Widerstrebend überließ er ihr seinen Platz. «Wenn Sie |135| noch Hilfe brauchen, fragen Sie ruhig. Ich bin drüben an meinem Schreibtisch.»
Kate versicherte ihm, dass sie sich im Notfall melden würde. Dann sah sie sich den ersten Eintrag an. Einige der Informationen
sagten ihr überhaupt nichts, aber der Titel des Artikels war klar und deutlich. «Die Rolle von Erziehung und Umwelt bei der
Entstehung von zwanghaftem Verhalten». Darunter stand eine kurze Zusammenfassung des Artikels:
Zwanghaftes Verhalten lässt sich oft auf ein oder mehrere spezifische Ereignisse in der Geschichte eines Individuums zurückführen.
Häufig ist die Erinnerung an solche Ereignisse unterdrückt worden, sodass der Ursprung der zwanghaften Verhaltensweise verschleiert
wird. Dieser Aufsatz vertritt die These, dass der Therapieerfolg bei solchem Zwangsverhalten wesentlich verbessert werden
kann, wenn diese ursächlichen Ereignisse erkannt werden. Sechs Patienten wurde unter Hypnose und mit positiven Ergebnissen
geholfen, sich an diese Ereignisse ihres Lebenslaufes zu erinnern.
Der Artikel enthielt nichts, dass für sie von Interesse gewesen wäre, daher ging Kate zum nächsten über. Der folgende Aufsatz
war in einer amerikanischen Zeitschrift erschienen, wie sie beeindruckt feststellte. Der Titel lautete «Blutsbande: Sind Fehlregulierungen
der Impulskontrolle ererbt?». Das sagte ihr wenig, und der Abriss war auch nicht sehr hilfreich:
Eineiige Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und eine gegensätzliche Erziehung erfuhren, wurden beide binnen zwölf
Monaten wegen Diebstahls verurteilt. |136| Diese Studie erwägt die Möglichkeit einer ererbten Neigung zu Fehlregulierungen der Impulskontrolle und regt weitere Untersuchungen
zum Thema an.
Ihre Gedanken schweiften ab, bevor sie die Zusammenfassung zu Ende gelesen hatte. Sie rief den nächsten Eintrag auf, der sich
mit einem Artikel über Brandstiftung beschäftigte. Aber sie machte sich nicht mehr die Mühe, ihn zu lesen. Was genug war,
war genug. Ohne den Monitor auszuschalten, ging sie zu dem Bibliothekar hinüber.
Seine windgeröteten Wangen verdunkelten sich, als er sie sah. «Tut mir leid, ich weiß nicht genau, wie der Computer ausgeschaltet
wird», bekannte sie.
«Keine Sorge, ich kümmere mich darum. Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?»
«Ja, ich glaube schon.»
«Wollen Sie Fotokopien von irgendwelchen Artikeln?»
«Nein danke, das ist nicht nötig.»
Er schien enttäuscht zu sein. «Sind Sie sicher? Es macht keine Mühe.»
«Wirklich, es ist nicht nötig. Ich habe gefunden, was ich brauchte.»
Da sie für ihre Aufregung ein Ventil brauchte, bedachte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln und ging hinaus.
Lucy und Jack kehrten an diesem Wochenende zurück. Kate ließ Berichte über Zeltzusammenbrüche, Sonnenbrand und durch Eiscreme
verursachten Durchfall geduldig über sich ergehen, bis Lucy alles losgeworden war, was sie unbedingt erzählen musste.
«Kannst du nächste Woche irgendeinen Abend weg?», fragte Kate.
|137| Lucy hatte sich in einen Sessel sinken lassen. «Ich glaube, nach den letzten zwei Wochen wirst du mich schon mit Gewalt aus
dem Haus schleppen müssen. Warum?»
Kate konnte es nicht länger für sich behalten. «Da ist jemand, den ich dir
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