Flammenbrut
Unterschied?»
|141| «Der Unterschied?» Alex schien sich bei diesem Kreuzverhör nicht recht wohl zu fühlen. Kate wünschte, Lucy würde das Thema
wechseln. «Die Psychiatrie beschäftigt sich mit, ähm, mit geistigen Krankheiten. Sie … sie bedient sich häufig der Hilfe von Medikamenten. Die Psychologie – die klinische Psychologie – beschäftigt sich mehr
mit Verhaltensproblemen.»
Wieder dieses leichte Stocken in seiner Stimme, ein fast unmerkliches Stolpern über die Konsonanten. Kate fragte sich, ob
Lucy wohl spüren konnte, wie nervös er war. Langsam verlor sie den Enthusiasmus, der sie veranlasst hatte, ihn ihren Freunden
vorzustellen. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, ihn zur Schau zu stellen, aber genau so musste es ihm im Augenblick vorkommen.
«Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen? Ich meine, zur klinischen Seite?»
Kate fragte sich, ob sie genauso blödsinnig geklungen hatte, als sie Turner im Restaurant ausgefragt hatte. Sie wartete darauf,
dass Alex ihrer Freundin von den «Superpsychologen» erzählen würde, über die er als Junge gelesen hatte.
«Ach … das hatte keinen bestimmten Grund.» Er zuckte die Achseln. «Ich fand einfach, dass es gut klingt.»
Er sah sie nicht an, aber ihm war wohl bewusst, dass sie seine Auslassung bemerkte, dessen war Kate sich plötzlich sicher.
Und aus irgendeinem Grund war sie wirklich froh, dass er Lucy nichts erzählt hatte.
«Was für eine Art …», begann Lucy, aber Kate sollte nie erfahren, wie ihre nächste Frage gelautet hätte. Eine kleine Gestalt erschien im Türrahmen,
und Lucy brach plötzlich ab. Emily, die ein hellgelbes Nachthemd trug, lief bis zu dem Halbkreis, den das Sofa und die Sessel
bildeten, und blieb |142| dann zögernd stehen. Das kleine Mädchen lächelte und blickte kokett zu Alex auf.
«Und wieso bist du nicht im Bett, junge Dame?», fragte Lucy mit geheuchelter Strenge.
Emily tippelte auf Zehenspitzen auf sie zu, wandte dabei aber keine Sekunde lang ihren Blick von Alex ab. «Kann nicht schlafen.»
«Und das liegt sicher nicht daran, dass du sehen möchtest, wer uns besucht, wie?»
Emily lächelte, sagte aber nichts. Lucy seufzte und wandte sich an Alex. «Sie kennen sich wohl nicht zufällig auch mit Kinderpsychologie
aus, oder? Wie zum Beispiel mit der Frage, was man mit neugierigen Kindern macht?»
Er grinste ein wenig unsicher. «Nein, tut mir leid.»
Als hätte Emily nur darauf gewartet, dass er etwas sagte, kam sie noch ein Stückchen näher. «Sind Sie Kates Freund?»
«Ich glaube, du gehörst jetzt wirklich ins Bett», sagte Lucy. Sie erhob sich aus ihrem Sessel und schob das kleine Mädchen
so schnell aus dem Zimmer, dass sie schon halb den Flur hinunter waren, bevor man im Wohnzimmer Emilys Einwände hören konnte.
Kate zwang sich, Alex zuzulächeln, während das Gejammer im Flur leiser wurde. Getrennt durch eine Kissenbreite und beiderseitige
Verlegenheit, warteten sie darauf, dass Jack endlich mit den Drinks aus der Küche zurückkam.
Es gab Brathuhn, mit Zitrone und Knoblauch eingerieben, dazu neue Kartoffeln aus Lucys eigenem Garten, mit grünen Bohnen und
Salbei. Wenn sie wollte, war Lucy eine gute Köchin, aber als es an die Zubereitung des Desserts ging, hatte sie offensichtlich
der Ehrgeiz verlassen: Der |143| Schokoladenpudding, den sie auf den Tisch brachte, bestand überwiegend aus Kunstsahne und anderen merkwürdigen Zusätzen und
hatte seine ursprüngliche Form durch Quetschungen in der Einkaufstüte verloren. Aber mittlerweile hatten die Drinks sie hinreichend
entspannt, um darüber lachen zu können.
Kate fühlte sich benommen, ein Gefühl, das gleichermaßen von der Erleichterung rührte wie von dem Wein, den sie eigentlich
gar nicht hatte trinken wollen. Die anfängliche Verlegenheit hatte sich während des Essens verflüchtigt. Alex wirkte nicht
mehr so verkrampft und schien sich gut mit Lucy und Jack zu verstehen, die ihren Streit entweder beigelegt oder auf einen
anderen Zeitpunkt verschoben hatten. Lucy hatte einen leichten Flirt mit ihm begonnen, ein sicheres Zeichen dafür, dass er
ihr gefiel, und er und Jack hatten Gemeinsamkeiten in puncto Bücher entdeckt.
Als Jack anfing, Alex von seinem Geschäft zu erzählen, fing Lucy einen Blick ihrer Freundin auf.
«Hilfst du mir beim Abwasch?»
Mit plötzlicher Nervosität machte Kate sich daran, die schmutzigen Teller einzusammeln, bevor sie ihrer Freundin in die Küche
folgte.
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