Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
unfähig, vor ihr zurückzuweichen. Die Hand zögerte.
    In diesem Moment ging ein Beben durch Drafurs Maske. Zwei goldglimmende Sporne schnellten hervor, bohrten sich wie Pfeilspitzen in die Hand des Feindes. Ein Aufschrei! Blut perlte aus dem schwarzen Stoff! Sogleich zuckte die Hand zurück - und war plötzlich fort, verschwunden im Nichts. Mit lautem Summen schlugen die Drähte des Gefüges aneinander. Benommen sank Laghanos zu Boden. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Draußen dröhnten Schritte auf der Wendeltreppe; jemand eilte zum Turmzimmer empor. Es war Benris. Sein tuschebemaltes Gesicht war schreckensverzerrt. Hastig stürzte er sich auf den Jungen, half ihm empor. »Laghanos! Wir fürchteten schon das Schlimmste. Das Gefüge warnte uns, daß du in Gefahr bist.« Er starrte auf die Maske, von der sich Blutstropfen lösten. »Was ist geschehen?«
    Schluchzend klammerte sich Laghanos an Benris fest. »Eine Hand… ich habe eine Hand gesehen, und ein Messer. Ich konnte mich nicht wehren, ich war wie gelähmt. Und da war ein Zeichen - eine goldene Mondsichel…«
    »Die Jünger des Mondes!« fluchte Benris. »Wie in aller Welt konnten sie in deine Nähe gelangen? Das Gefüge wachte über dich, und auch die Beschlagenen hätten einen Eindringling entdecken müssen.« Er blickte Laghanos erschrocken an. »Aber warum haben sie dich verschont?«
    »Die Maske beschützte mich«, flüsterte Laghanos.
    »Ich ahnte, daß sie versuchen würden, dich zu töten; doch daß sie bis in die Erhabene Halle vordringen können, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ihre Furcht vor dir muß groß sein, wenn sie dieses Wagnis eingehen.« Mißtrauisch blickte sich Benris im Turmzimmer um. »Sie können noch nicht weit sein. Irgendwo in der Nähe halten sie sich versammelt und warten auf den Bericht des Attentäters. Ich werde die Wächter des Gefüges auf sie hetzen; vielleicht können sie diese Verräter aufspüren!« Sein Blick kehrte zu Laghanos zurück. »Es war ein Fehler, dich allein zu lassen. Nun drängt die Zeit; wenn die Mondjünger erfahren, daß du noch am Leben bist, werden sie einen zweiten Angriff wagen. Du mußt endlich den Weltengang antreten! Es ist deine Pflicht, die Beschlagenen anzuführen!«
    Laghanos nickte.
Sinnlos, sich zu wehren; sinnlos, sich dagegen aufzulehnen. Ich muß meiner Bestimmung folgen, muß Drafur finden, wie der Rotgeschuppte es mir auftrug. Je länger ich warte, desto stärker werden meine Feinde. Die Maske wird mich beschützen, wenn ich in die Sphäre eintauche… wenn der Kampf beginnt.
Und Nhordukael lauschte der Melodie, lauschte Mondschlunds Gesängen. Seine Sinne öffneten sich der Sphäre; er kleidete die Klänge in Bilder, lernte die Sphärenströme zu entwirren. Mondschlunds Worte rissen ihn mit, entführten ihn in eine längst vergangene Zeit.
    »Vor dreitausend Jahren, als die Menschheit noch jung war und die Sphäre sich ungebändigt über alle Länder von Gharax erstreckte, war das Leben auf unserer Welt von großen Entbehrungen geprägt. Die Natur war beherrscht von den Wesen der Sphäre; Wasser und Winde, Wälder und Sümpfe waren den Menschen feindlich gesinnt, und so konnten sie nur an wenigen Orten von Gharax überleben. Allein im Norden gab es einige Siedlungen, die über das Nordmeer miteinander Handel trieben, doch der Süden war nahezu unbewohnt. Im fernen Westen jedoch lag die Insel Tyran; dort hatten die Menschen mehrere Dörfer gegründet, lebten vom Fischfang und Getreideanbau. In einem dieser Dörfer wurde Kahida geboren, ein Kind von reinem Herzen, das sowohl von den Menschen als auch von den Wesen der Sphäre geliebt wurde; selbst die Geister des Meeres und die grimmigen Dämonen der Winde ließen sich von ihrem fröhlichen Wesen betören. Es gelang Kahida, mit den Völkern der Sphäre Frieden zu schließen. Sie errichtete die Stadt Athyr'Tyran, und dort herrschte sie dreihundert Jahre lang über die Menschen, während sich rings um die Insel die Sphärenströme beruhigten und sie zu einem Ort des Friedens machten. Von weither reisten die Menschen nach Tyran, um hier zu leben.«
    Vor Nhordukaels Augen bildeten sich die Umrisse der Insel Tyran; er sah ihre blühende Küste, sah die zahlreichen Dörfer und schließlich die Stadt Athyr'Tyran mit ihren Türmen und Palästen - die erste Stadt der Menschheit, so schön, so freundlich. Unwillkürlich mußte er an die brennende Stadt Thax denken, die von den Weißstirnen vernichtet worden war; doch schon fuhr

Weitere Kostenlose Bücher