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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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vollkommenen Teilnahmslosigkeit, oder weckt sie in uns den Wunsch nach größeren Taten? Ich spüre eine innere Zerrissenheit: mit jedem Raschen entrückt die Außenwelt meiner Wahrnehmung. Schon ist mir der Grund - oder vielmehr die Rechtfertigung - entglitten, warum ich meine Stunden hier vergeude. Gleichzeitig überkommt mich große Wehmut: Ich blicke zum Fenster, sehe draußen den Sturm toben und spüre, daß auch in mir etwas tobt, eine ganz ähnliche Kraft, die der Rasche nur noch anfacht. Alles scheint möglich, wenn ich nur die Gewißheit hätte, diese Kraft beherrschen zu können.« Aelarians Übelkeit war plötzlich verflogen; seine blauen Augen schimmerten, und seine Gesten wurden fahrig. »Ich frage euch: Ist dies Erhabenheit oder doch nur dumpfer Rausch? Macht uns der Schnaps tatsächlich erhaben über unsere begrenzten Möglichkeiten und unsere möglichen Begrenzungen?«
    Ungeld pustete genervt die Luft aus den dicken Backen. »Ich würde sagen, auf diesen Quatsch trinken wir einen! Stolling, bring uns etwas Mildes - einen Likör oder so was, damit unser Freund hier auf süßere Gedanken kommt.«
    Parzer versetzte ihm einen halbherzigen Tritt ins Gesäß.
    »Halt den Rand, Ungeld!« Er starrte Aelarian aufmerksam an. »Ich weiß, was du sagen willst, Rotbauch. Der Wunsch, sich ganz und gar aufzugeben, nicht mehr an den Morgen zu denken oder an den brütenden Schädel, den wir durch den kommenden Tag schleppen werden… hier sitzen wir im Schankraum der
Roten Kordel,
unsere Adern erfüllt mit heißem Blut, unsere Zungen schwer vom Schnaps; und doch reden wir frei heraus, wie immer es uns beliebt! Ha!« Er machte einen gewagten Satz nach vorn, beugte sich über den Tisch, so daß der Großmerkant seinen bitteren Atem riechen konnte. »Ob Erhabenheit oder Rausch oder Irrsinn: mich schreckt nichts in diesem Augenblick - weder der Sturm in meinem Herzen noch der Sturm dort draußen! Wenn ich es nur will, zerre ich gleich Mäulchen aus den Armen deines Freundes und drücke ihr meine heißen Küsse auf die Lippen; oder ich reiße die Tür der
Roten Kordel
aus den Angeln und jage mit meinem Boot über das Silbermeer - ja, das will ich tun!«
    Ungeld griff besorgt nach seiner Hand. »Setz dich hin, Trunkenbold! Dies ist nicht der Abend für unbedachte Abenteuer…«
    »Allein das Unbedachte bringt uns vorwärts«, fiel Schnappes ihm ins Wort. »Der Verstand dient uns niemals im Jetzt, sondern nur im Davor, und Vorzeitigkeit ist ein Fluch, den es abzuschütteln gilt.«
    Aelarians Augen waren auf Parzer gerichtet. »Dann schütteln wir ihn doch ab«, rief er herausfordernd. »Wie du sagst, Parzer: Kein Sturm soll uns schrecken!« Er sprang auf, vollführte einige tänzelnde Schritte um den Tisch und stürzte sich unvermittelt auf Cornbrunn und Mäulchen, die noch immer innig miteinander tanzten. Voller Leidenschaft schubste er die Fischerin zur Seite, zwinkerte Cornbrunn zu und schlang die Arme um ihn. Dann drückte er seinem mehr als überraschten Leibdiener einen wilden Kuß auf den Mund - und fuhr lachend zu Parzer herum.
    »Nun bist du an der Reihe! Oder fehlt es dir an Erhabenheit?«
    Der Fischer richtete sich langsam auf. Seine schielenden Augen waren glasig. »Wenn du's darauf anlegst, Rotbauch -mich schreckt kein Sturm!« Er zog sich sein Hemd zurecht, torkelte auf den Ausgang zu. »Was in aller Welt soll das werden?« rief Mäulchen mit schneidender Stimme. »Wohin willst du, Saufkopf?« »Zum Meer«, schnaubte Parzer. »Ich werde dem Sturm meine Ehre erweisen!«
    Mehrere Gäste stießen begeisterte Rufe aus, stießen johlend auf Parzer an. Ungeld erhob sich von seinem Schemel, begann auf Parzer einzureden. Auch Mäulchen versuchte den Fischer umzustimmen. »Sei vernünftig, Parzer! Du bist voll wie ein Gurkenfaß. Denk an deine Frau, an deine Bälger…« Parzer stieß ein verwegenes Lachen aus. Dann riß er die Tür der
›Roten Kordel
auf. Brüllend brach der Wind in den Schankraum ein; Regentropfen klatschten in die Gesichter der Fischer, die Parzer umringten und ihm freudentrunken auf die Schulter klopften.
    Cornbrunn wandte sich unterdessen verstohlen an Aelarian. »Danke für den Kuß, Großmerkant«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Und jetzt verratet mir gefälligst, was hier vor sich geht!«
    Aelarian schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln. Er deutete auf Parzer, der sich mit ausgebreiteten Armen in den Regen stürzte, begleitet von einer Schar jubelnder Fischer. »Das Geheimnis von Rhagis steht

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