Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
Ledertornisters, und er zog jene Schriftrolle hervor, die an den Fürsten Hamalov Lomis gerichtet war. Er trieb sich zu größerer Eile an, denn es galt, bis zum Mittag sämtliche Botschaften auszutragen, und dazu würde er auch den Palast aufsuchen müssen.
    Eins mußte Baniter dem ›Gespann‹ lassen: Die Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Vara war ein Musterbeispiel vorzüglicher Organisation gewesen. Die Übersetzung des Thronrats nach Vara; der pompöse Empfang am Hafen, wo eine Volksmenge den Kaiser bejubelt hatte; schließlich der von zweihundert Tänzerinnen angeführte Geleitzug zum Kaiserpalast. Dieser war in erstaunlich kurzer Zeit als Residenz des Thronrats hergerichtet worden: sechzehn herrschaftliche Räume standen dem Kaiser und seiner Gemahlin zur Verfügung, und auch den Fürstenfamilien waren mehrere Zimmer in der Palastanlage zugewiesen worden. Nur zwei Tage nach der Ankunft war das kaiserliche Paar vermählt worden. Uliman Thayrin und Inthara von Arphat hatten sich im Innenhof des Palastes das Eheversprechen gegeben, in Anwesenheit des Silbernen Kreises und der Oberschicht von Vara. Aus Rücksicht auf die Arphater, die den Alten Göttern anhingen, war dabei auf jegliches religiöse Zeremoniell verzichtet worden - trotz der Proteste des Hohenpriesters, der um das Seelenheil des jungen Kaisers bangte. Doch Bars Balicor hatte sich schließlich damit begnügt, Uliman nach der Eheschließung den Segen Tathrils zu erteilen. Baniter erinnerte sich mit einem Schmunzeln daran, mit welcher Abscheu die Arphater den Worten des Hohenpriesters gelauscht hatten; Inthara und Sai'Kanee hatten sich voller Verachtung abgewandt, und der Große Ejo war vor dem Priester zurückgewichen wie vor einem Aussätzigen. Der Trauung hatte sich ein Fest angeschlossen: Im Palast hatte der sitharische Adel bis tief in die Nacht gefeiert, auf den Straßen hatte das Volk gesungen und getanzt, angefacht von der Musik zahlloser Spielleute. Auf dem Gorjinischen Markt war Honigbier an die Menschen ausgeschenkt worden, und so war die Stimmung in Vara ausgelassen gewesen. Nur zweimal war es zu Zusammenstößen mit einigen versprengten Weißstirnen gekommen, doch die Stadtgarde hatte die Aufständischen rasch auseinandergetrieben.
    Ja, es ließ sich nicht leugnen: das ›Gespann‹ hatte in den vergangenen Wochen gute Arbeit geleistet. Kaiser und Thronrat waren in Vara herzlich aufgenommen worden; die Katastrophe um Thax schien vergessen, das Volk jubelte dem jungen Kaiser zu, und seine Eheschließung mit der arphatischen Königin hatte zu keiner größeren Ausschreitung geführt. Doch Baniter wußte nur zu gut, daß dieser reibungslose Ablauf der Festlichkeiten vor allem der Oberschicht Varas zu verdanken war. Sie hatte sämtliche Vorbereitungen des ›Gespanns‹ unterstützt und dem Thronrat keine Steine in den Weg gelegt - vorerst nicht!
    Zwölf Jahre lang konnten die Großbürger von Vara tun und lassen, was sie wollten. Mit der Rückkehr des Silbernen Kreises jedoch gerät ihr Einfluß ins Wanken. Sie werden nicht tatenlos zusehen, wie Scorutar und Binhipar die Macht an sich reißen.
    Baniter befand sich in einer Seitenstraße des Gorjinischen Marktes. Hier lag die Halle der Bittersüßen Stunden, ein tempelartiger Bau aus Sandstein. Einst war die Halle ein berühmtes Dampfbad gewesen, eine Stätte der Erholung und Vergnügung für die reichen Bürger von Vara. Inzwischen war der Bäderbetrieb eingestellt, doch das Haus diente der Oberschicht noch immer als Versammlungsort. Regelmäßig traf ein erlesener Zirkel von Kaufleuten und Adeligen in dem Bad zusammen, geladen von einer Dame namens Sinustre Cascodi. Sie hatte die Halle der Bittersüßen Stunden vor einigen Jahren gekauft; von wessen Geld und in wessen Auftrag, war ungewiß. Sie selbst konnte kaum über die notwendigen Mittel verfügen, denn sie entstammte der Unterschicht. Gerüchten zufolge war sie einst als Kurtisane in dem Bad beschäftigt gewesen.
    Forsch schritt Baniter die Stufen zum Eingangsportal empor. Es war höchste Zeit, bei den reichen Bürgern der Stadt vorzusprechen. Viele hatten ihm bereits in den vergangenen Tagen in überschwenglichen Schreiben mitgeteilt, wie sehr sie die Rückkehr des Oberhaupts der Familie Geneder begrüßten. Der Tonfall dieser Schreiben hatte zwischen verhaltener Freude und kaum verhüllter Begeisterung geschwankt. Zweifellos war die Tatsache, daß nun wieder ein Geneder in der Stadt leben sollte, von großer Brisanz für die

Weitere Kostenlose Bücher