Flammenbucht
fortgestohlen, doch ich habe es nicht gewagt, ihr zu folgen. Dieses Weib hat etwas Unheimliches an sich!«
»Ich wußte gar nicht, daß du solche Angst vor Weibern hast.« Aelarian legte das Wolltuch beiseite. »Aber ich gebe dir recht; sie hat ein finsteres Wesen. Ihre Augen sind schwarz und voller Geheimnisse.« »Ich habe in den letzten Tagen versucht, mich ein wenig mit ihr zu unterhalten«, verriet Cornbrunn. »Sie hat eine recht scharfe Zunge. Ich wollte herausfinden, woher sie kommt und warum sie in Rumos' Dienste getreten ist, doch sie ließ sich kein Sterbenswörtchen entlocken. Als ich es wagte, ihren neuen Haarschnitt zu loben, funkelte sie mich an, als wollte sie mir am liebsten das Schwert an die Kehle setzen.«
»Das kann man ihr bei einem so öligen Kompliment schwer verdenken.« Der Großmerkant ließ die Hände auf die Tischplatte sinken. »Ich frage mich, was Rumos in der Stadt getrieben hat. Er führt sicher etwas im Schilde. Daß wir auf Morthyl festsitzen, kann ihm nicht behagen; ihn drängt es nach Tyran, in den fernen Westen. Jeder Tag, den wir auf dieser Insel vergeuden, gefährdet seine Pläne.«
»Dann muß er sich wohl gedulden, bis Perjan Lomis die Kathyger von Fareghi vertrieben hat. Erst wenn der Leuchtturm befreit ist, können wir unsere Reise fortsetzen.« »Richtig… und deshalb wird Rumos alles daransetzen, Eidroms Sturz zu beschleunigen«, ergänzte Aelarian. »Es klingt beinahe so, als wünschtet Ihr Rumos Erfolg«, hakte Cornbrunn nach. »Wollt Ihr mir nicht endlich verraten, welches Geheimnis Euch mit unserem graubärtigen Großväterchen verbindet?«
»Eine ganze Reihe von Geheimnissen«, antwortete Aelarian. »Und ich denke, es ist an der Zeit, dich in einige davon einzuweihen.« Er senkte die Stimme. »Du mußt wissen, daß ich in jungen Jahren Mitglied eines Zirkels war, einer Gruppe wißbegieriger Frauen und Männer, die sich der Magie zugewandt hatten. Unter uns waren Gelehrte, die in den Archiven der Gilde auf seltsame Schriften gestoßen waren, rebellische Priester, die sich den Vorschriften ihrer Kirche nicht beugen wollten, Sterndeuter und Geisterseher, die aus eigener Kraft einen Weg in die Sphäre gefunden hatten. Wir trafen uns alle zwölf Tage in einem verlassenen Gasthof in der Nähe von Taruba - dem einstigen Haus Moorbruch, das viele Jahrhunderte lang den Reisenden, die durch die Sümpfe zogen, Rast geboten hatte. Nun diente es uns als Versammlungsort; hier tauschten wir uns über die Geheimnisse der Zauberei aus, über das Wesen der Sphäre und die Macht der Quellen.«
»Wie kam es, daß die Großgilde einen solchen Zirkel duldete?« fragte Cornbrunn erstaunt. »Die wenigen Gildenräte, die von unserem Treiben wußten, waren auf unserer Seite. Sie betrachteten uns als Gegengewicht zur Tathril-Kirche, die schon damals großen Einfluß im Rat besaß. Auch ich wurde übrigens von einem Ratsmitglied in den Zirkel eingeführt; er setzte große Hoffnungen in meinen jugendlichen Geist und hatte meine verborgenen Talente erkannt.«
»Ich kann mir schon denken, welche Talente das waren«, sagte Cornbrunn mit anzüglichem Grinsen. Aelarian warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Unser Zirkel wuchs über die Jahre. Haus Moorbruch wurde zu einem Treffpunkt unabhängiger Zauberer und Freidenker. Eines Tages stieß auch ein Mann namens Rumos Carputon zu uns, ein alter Priester aus Taruba, der trotz tiefen Glaubens an seinen Gott mit der Kirche gebrochen hatte. Er wollte sich nicht länger von den Geboten der Tathrilya einzwängen lassen, und so wandte er sich an uns. Er hoffte wohl, im Haus Moorbruch neue Methoden zu erlernen, die Sphäre zu erkunden; und da uns seine innere Zerrissenheit anrührte, nahmen wir ihn in den Zirkel auf.« Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Wir machten es ihm gewiß nicht leicht. Keiner von uns war in der Magie so bewandert wie er, und sein Eifer schreckte uns ab. Rumos war bereit, bestimmte Grenzen zu überschreiten, Gebiete der Magie zu erforschen, die besser unerforscht bleiben sollten. Ich denke, daß sein hohes Alter diesen Durst nach Wissen in ihm auslöste; er wollte die Welt nicht verlassen, ohne das Geheimnis der Sphäre enträtselt zu haben. Die Erkenntnis, nach der er strebte, war ihm in all den Jahren von der Kirche vorenthalten worden zumindest glaubte Rumos dies. Überall witterte er unsichtbare Mächte, die ihm Steine in den Weg legten, überall spürte er Ketten, die seinen Geist fesselten. Er fühlte sich von allem
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