Flammenbucht
schmerzlichste Lücke hatte Perjan Lomis hinterlassen. Er war nach Morthyl zurückgekehrt, um die Insel gegen die Eindringlinge aus Kathyga zu verteidigen. Zwar sollte ihn sein Sohn Stun, der auf der Handelsakademie in Vara studierte, im Rat vertreten, doch dieser hatte sich bisher nicht in Thax blicken lassen. Mit Perjan Lomis hatte auch der schärfste Widersacher des ›Gespanns‹ kampflos das Feld geräumt. Die Vorherrschaft über den Silbernen Kreis gebührte damit unbestritten Binhipar Nihirdi und Scorutar Suant, und diese ließen es sich nicht nehmen, ihre Macht zur Schau zu stellen. Zwanzig gerüstete Klippenritter hielten im Thronsaal Wache. Auf den Helmen schimmerte das Emblem ihres Ordens, ein gischtumspülter weißer Felsen auf schwarzem Grund.
Baniter musterte die übrigen Fürsten. Arkon Fhonsa, sein einstiger Verbündeter, hatte den Kopf gesenkt; er wich Baniters Blicken aus. Vildor Thim, der Fürst von Palgura, ein Mann mit groben Gesichtszügen und fliehender Stirn, trug eine zerkratzte Rüstung, ein Andenken an den Krieg gegen Kathyga, den er als Heerführer für das Kaiserreich entschieden hatte. Vermutlich wollte er durch sein Auftreten die Klippenritter beeindrucken. Hamalov Lomis, der ›Fürst‹ von Varona, ein dürrer Mann mit schütterem Haar, hatte sich am hinteren Ende der Tafel postiert, die Flügeltür des Saales im Auge. Er blickte immer wieder nervös zu Baniter hinüber.
Sie haben Angst, alle miteinander,
dachte Baniter zufrieden.
Angst vor dem ›Gespann‹, Angst vor dem Klippenorden, Angst vor der Zukunft - und Angst vor mir!
Das ›Gespann‹ stand vor dem leeren Thron. Binhipar Nihirdis finsterer Blick wanderte über die Reihen der Fürsten; er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Gelegentlich hörte Baniter ihn mit den Zähnen knirschen. Unweit von ihm spielte Scorutar Suant, der Fürst von Swaaing, seine vielfach erprobte Rolle als treuer Diener des Reiches, der die Einheit des Thronrats wahren wollte.
»Ich denke, wir sind uns einig«, säuselte er und strich sich durch die kastanienbraunen Locken. »Ein rasches Begräbnis, noch in den kommenden Tagen. Nur so können wir weitere Unruhen in der Bevölkerung vermeiden.«
Keiner der Fürsten widersprach. Sie hatten die Nachricht von Akendors Tod mit Erleichterung zur Kenntnis gekommen. Niemand trauerte dem Kindsmörder eine Träne nach.
»Ja, ein rasches Begräbnis«, plapperte der varonische Fürst Hamalov nach, eilfertig und einfältig wie immer. »Je eher er unter der Erde liegt, desto eher werden die häßlichen Gerüchte verstummen, die umhergehen.« …
und die besagen, daß Akendor schon vor mehr als zwanzig Tagen im Kerker verendete,
ergänzte Baniter in Gedanken.
Scorutar erteilte den Worten des varonischen Fürsten mit einem Nicken seine Zustimmung. »Wir werden Akendor neben seinem Vater in der Gruft der Thayrin beisetzen. Wir werden ihm die schwarze Kaufmannsrobe anlegen und eine Totenmaske aus den ihm dargebrachten Silbermünzen gießen, so wie es Brauch ist. Zehn Klageweiber sollen in der Gruft wachen und den Tod des Kaisers beweinen. Ich habe bereits Anweisung gegeben…«
»Kein Klagegesang«, unterbrach ihn Fürst Binhipar. »Akendor soll in aller Stille begraben werden. Ein schlichtes Begräbnis ohne jeden Prunk - und dann Frieden seiner verirrten Seele.«
Binhipars Verachtung für Akendor muß groß sein, wenn er ihm, dem Sohn seines Freundes Torsunt, sogar diese Ehrerbietung verweigert.
Baniter spürte, daß es an der Zeit war, das Wort zu ergreifen. »Wenn uns tatsächlich daran gelegen ist, weitere Unruhen zu vermeiden, sollte unsere Aufmerksamkeit nicht dem alten Kaiser gelten, sondern vielmehr seinem Sohn Uliman. Nichts wird das Volk mehr beruhigen als die Ausrufung eines neuen Herrschers.«
Scorutar wandte sich ihm zu. »Es freut mich, daß Ihr Euch so große Sorgen um Sithars Wohlergehen macht, Baniter. Wir sind alle Eurer Meinung! Ein rasches Begräbnis des alten und eine rasche Krönung des neuen Kaisers… die notwendigen Vorbereitungen sind längst getroffen.«
»Hervorragend!« lobte ihn Baniter. »Mir ist allerdings zu Ohren gekommen, daß sich unser künftiger Kaiser noch immer in den Händen der Tathril-Kirche befindet.«
»Die Kirche wird Prinz Uliman bald ausliefern. Allerdings stellt der Hohepriester Bedingungen…« »Und nicht gerade maßvolle«, ergänzte Baniter. »Balicor möchte der Kirche einen Sitz im Thronrat verschaffen zwölf Jahre, nachdem Kaiser Torsunt den
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