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Flammende Versuchung

Flammende Versuchung

Titel: Flammende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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wirklich Freunde sein konnten, aber sie konnte die Verbundenheit durch ihre Blutsverwandtschaft und die gemeinsam verbrachte Kindheit auch nicht gänzlich zerstören.
    Rafe war seine andere Seite, die Seite, die er nicht zu erreichen, ja, nicht einmal zu sehen vermochte. Wie die Portraits auf einer Münze, die nie in dieselbe Richtung schauten. Rafe besaß alle Freundlichkeit, Gefälligkeit und Charme.
    Alle liebten sie Lord Rafe, wie er genannt wurde. Der Bäcker hob die besten Kuchen für ihn auf, die Tochter des Kaufmanns flirtete mit ihm und zerzauste ihm die dunklen Locken, der Tischler drechselte ihm ein zusammenpassendes Pferdepaar – eines der Tiere wollte er Calder schenken, doch dieser weigerte sich, es anzunehmen.
    Es war so leicht für ihn. Calder beobachtete ihn voller Neid, den er jedoch als Missbilligung maskierte. Er konnte alle Könige und Königinnen Englands in der
richtigen Reihenfolge aufsagen, seitenweise Literatur zitieren, mit Leichtigkeit neunstellige Zahlen addieren, aber er konnte kein Zimmermädchen zum Lächeln bringen oder seinen Vater mit einer Geschichte darüber, wie er bei dem Versuch, einen Drachen steigen zu lassen, in den Fluss gefallen war, lauthals lachen lassen.
    Dass er Rafe in schulischer Hinsicht bei weitem übertrumpfte, war kein Anlass zur Freude, sondern entsprach lediglich den Erwartungen seines Vaters. Rafe begriff schnell, aber genauso schnell verlor er auch das Interesse. Calder war derjenige, der treu weitermachte, der nicht nur lernte, welche Schlachten gewonnen wurden, sondern auch, welche politische Motivation hinter den Kämpfen stand.
    Es gab nur einen einzigen Bereich, in dem Rafe ihm voraus war – wenn es um Brookhaven ging. Rafe sog die Familiengeschichte auf, als hätte er sie schon immer gekannt und brauchte sich nur daran zu erinnern. Es war Calder nicht schwergefallen, an Rafes Hochzeitstag den Besitz in dessen Hände zu übergeben. Rafe würde Brookhaven immer gerecht werden. Er würde ein guter Gutsherr sein.
    Doch trotz seines Charmes und seiner Beliebtheit hatte Rafe nie vorgegeben, mehr zu sein, als er war. Er hatte sich nie verstellt, hatte nie versucht zu verbergen, woher er kam. Bis zu den Silberknöpfen an seiner Weste – in einer Zeit, da die meisten, die sich kein Gold leisten konnten, versuchten die Welt mit Messing zu täuschen – empfand Rafe nicht eine Unze Scham wegen seiner niederen Herkunft.

    Wie fühlte es sich an, so mit sich selbst im Reinen zu sein?
    Calder starrte wie versteinert auf sein kalt gewordenes Frühstück und seinen abgestandenen Kaffee. Er war nicht sein Bruder. Er zog die Leute nicht an wie das Licht die Motten. Er musste sie gut bezahlen, so wie Fortescue, oder – wie seine neue Angetraute – sie heiraten, damit sie ihm gehorchten.
    Er stand auf und warf seine Serviette auf sein erstarrtes Rührei. »Ich habe zu tun. Bringt mir mehr Kaffee in mein Arbeitszimmer.« Er kehrte Fortescues Verbeugung den Rücken. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war das stille Mitgefühl im Blick seines Butlers.

Elftes Kapitel
    D eirdre ihrerseits verbrachte den Vormittag genau so, wie sie es sich immer erträumt hatte. Sie stand auf, als sie Lust dazu hatte, schlüpfte in einen seidenen Morgenrock, machte es sich auf ihrem samtenen Sofa bequem und trank den exquisiten Tee, der ihr von ihrer gut gelaunten Zofe gebracht wurde.
    Sie bat um ihr übliches Frühstück, und es wurde ihr auf einem Tablett gebracht. Toast und eine kleine Schale Beeren. Keine Sahne, keine Butter, keine Marmelade.
    Sie hatte wacklige Knie, da sie am Vortag so wenig gegessen hatte, aber sie tat sich schwer mit dem trockenen Toast, da ihr Magen vor Unbehagen wie zugeschnürt war. Ruhelos zupfte sie an der Scheibe, während die Stille ihres schönen Schlafgemachs ihr auf die Nerven ging.
    Sie hasste es, allein zu essen.
    Woolton war unter Tessas Regie ein unfreundlicher Ort gewesen. Jeder Dienstbote, der etwas auf sich hielt, floh vor den überzogenen Ansprüchen ihrer Stiefmutter und der unregelmäßigen Bezahlung. Selbst eine Küchenmagd wollte für ihre Arbeit bezahlt werden.
    Es blieben also die Unfähigen und Unehrlichen, die Tessa offen verachteten – und Deirdre in dieselbe Schublade steckten. Allein mit der bösen Tessa, nachdem ihr Vater gestorben war, hätte Deirdre eine süße, mitfühlende
Überlebende werden sollen wie Phoebe. Also, sie wollte ihrer Cousine ja nicht zu nahe treten, aber Deirdre hatte sich schon vor langer Zeit für einen

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