Flammende Versuchung
anderen Weg entschieden.
Sie errichtete sich einen Panzer aus sicherem Auftreten, geschliffenen Manieren und gefühlloser, unnachgiebiger Entschlossenheit, um so weit weg von Lady Tessa zu kommen, wie die Grenzen Englands es zuließen.
Und gestern hatte sie genau das getan.
Sie schloss die Augen, da das Gefühl, ihren Vater zu vermissen, sie wie eine mächtige Welle überkam. Wie sehr es ihm gefallen hätte, gestern dabei zu sein, sie dem Mann ihrer Träume anvertrauen zu dürfen, sie in ihrem hübschen Kleid zu sehen. Wenn doch nur er sie in die Ehe hätte geben können statt des Vikars. Sie hatte sich für Phoebes Vater entschieden, weil er wenigstens irgendjemandes Vater war, und sie hatte mit ihrem goldenen Haar neben ihm, der groß war und mit seinem silbernen Haar attraktiv, gut ausgesehen. Aber es war nicht dasselbe gewesen.
Dann schlug sie die Tür zu dieser Erinnerung entschlossen zu. Papa mochte zum Teil schuld an ihrer Misere sein, aber es gab niemanden, der ihr daraus heraushelfen würde außer ihr selbst.
Den Brief an die Anwälte hatte sie bereits aufgegeben. Sie musste jetzt nur noch die Wochen oder vielleicht auch nur Tage durchhalten, bis aus der Marquise von Brookhaven die Herzogin von Brookmoor wurde.
Siebenundzwanzigtausend Pfund würden schon ausreichen, um alles wieder in Ordnung zu bringen.
Stickley und Wolfe, Partner im Vermögensrecht, Söhne erfolgreicherer Väter, einzige Verwalter des beträchtlichen Pickering-Vermögens, das demnächst auf Deirdre, Lady Brookhaven, übergehen würde – sobald der alte Herzog von Brookmoor den Löffel abgab und den Titel an seinen Neffen weitergab -, saßen sich in ihrer stillen und auf eigentümliche Weise imposanten Kanzlei an den beiden Schreibtischen gegenüber, die ihre Väter vor vier Jahrzehnten so aufgestellt hatten.
Ich wünschte, der Gauner würde betrunken von der ersten Bierkutsche überfahren werden, die des Weges kommt.
Stickley hielt sich selbstverständlich kerzengerade, ein Anwalt, wie er im Buche stand, bis hin zur goldenen Uhrenkette und der Brille. Doch leider war es eine schmerzliche Tatsache, dass er niemals die lässige Männlichkeit seines Partners erreichen würde, ganz egal, wie sehr er sich auch in die Brust warf und das Kinn hochhielt. Anders als Wolfe könnte er sich niemals in den Sessel fläzen, als wäre sein Rückgrat mit dem Leder verschmolzen und könnte sich nie mehr davon lösen. Zumindest nicht, ohne dabei bemitleidenswert feminin zu wirken, wie ein weggeworfenes Püppchen.
Diese Tatsache ließ Stickleys Wirbelsäule nur noch steifer und sein indigniertes Schniefen verärgerter werden.
»Stick«, murmelte Wolfe, ohne seine schläfrigen Lider wirklich zu heben oder auch nur die Lippen richtig zu öffnen, »wenn du nicht bald mit dieser verdammten Schnieferei aufhörst, dann reiß ich dir die Nase aus dem Gesicht und zertrete sie mit meinem Stiefelabsatz.«
»Ich kann nichts dafür. Du stinkst«, antwortete Stickley. »Nach billigem Parfüm und noch billigerem Fusel.«
Bei der Erinnerung verzogen sich Wolfes wohlgeformte Lippen. »Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass das Parfüm billiger war.« Er grinste anzüglich.
Stickley wandte den Blick ab und betrachtete die weit weniger verstörenden Bücherregale an der gegenüber liegenden Wand. Die Buchrücken schimmerten trotz der Tatsache, dass diese Bände, soweit er sich erinnern konnte, niemals geöffnet worden waren. »Sag nichts mehr. Ich wünsche keine Darstellung deiner dekadenten Abenteuer.«
Bedauerlicherweise nahm ihn Wolfe dieses Mal beim Wort und versank in einen verkaterten Dämmerzustand, ohne ein weiteres Wort über die schockierende, aber faszinierende Quelle des billigen Parfüms zu verlieren.
Was keineswegs fair war, wenn man bedachte, dass Stickley gewissermaßen das Bargeld dafür bereitgestellt hatte. Er und Wolfe mochten zwar gleichberechtigte Partner sein, aber es gab keinen Zweifel daran, wer die eigentliche Arbeit erledigte. Ohne Stickleys Bemühungen wäre das Pickering-Vermögen während der letzten zwei Jahrzehnte schwerlich in solchem Umfang gewachsen – was bedeutete, dass Wolfes Anteil an der Provision ebenfalls gestiegen war und ihm ermöglichte, seine Tage mit Müßiggang zu verbringen, statt Arbeit in die Partnerschaft stecken zu müssen.
Das Mindeste, was der Bastard tun konnte, da er schon darauf bestand, seinen Schatten an die Tür des
Büros zu werfen, war, Stickleys Langeweile mit einigen
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