Flammende Versuchung
knallten auf den Boden, und er richtete sich in einer weniger eleganten Bewegung als üblich auf. »Was? Was ist los?«
Stickley rang nach Luft. »V-v…« Er wedelte heftig mit dem Brief durch die Luft. »V…«
Wolfe hob seinen Spazierstock. »Spuck’s aus, Stickley!«
»Vollständige Auflösung!«, keuchte er. »Sobald sie zur Herzogin von Brookmoor ernannt wird.«
Wolfe wurde bleich unter seinem grünlichen Teint und sank langsam zurück in seinen Sessel. »Oh.« Er atmete tief ein. »Hölle und Verdammnis.«
Stickley nickte hysterisch. »Genau! Exakt! O Wolfe, was sollen wir bloß tun?«
Wolfe starrte für lange Zeit in die glitzernden Silberaugen seines Spazierstockes. Dann hob er langsam den Kopf. »Das arme Ding«, sagte er glatt. Er schüttelte den Kopf. »Dann hat sie also herausgefunden, was es bedeutet, mit der Bestie verheiratet zu sein.«
Stickley schaute hinab auf die kurze Mitteilung und versuchte sich vorzustellen, aus welchem Anlass sie geschrieben worden war. »Du meinst, sie will ihn verlassen?«
Er blinzelte hektisch. »So bald? Aber warum?« Ein Schauer überlief ihn. »Meinst du, sie hat vor ihm Angst?«
Wolfe stieß einen schweren Seufzer aus. »Kann es etwas
anderes sein? Sie muss sein wahres Wesen sofort erkannt haben. Und jetzt ist sie verzweifelt, nehme ich an, hat Angst, dass es ihr genauso ergehen wird wie der ersten Marquise von Brookhaven.«
Stickley rutschte auf seinem Sessel hin und her. Bei derart düsteren Vorstellungen war ihm unbehaglich. »Wenn sie wirklich in Gefahr ist«, sagte er langsam, »sollten wir ihr vielleicht einfach das Geld geben. Es steht ihr schließlich von Rechts wegen zu – oder zumindest wird es das bald.«
Wolfe nickte nachdenklich. »Das könnte eine Lösung sein – es sei denn, er bringt es unter seine Gewalt. Dann wäre sie hilflos.« Er spreizte die Finger. »Und wer würde ihn aufhalten? Er ist schon einmal mit Mord davongekommen.«
Das war schon immer auch Stickleys Überzeugung gewesen. »Was schlägst du also vor?«
Wolfe betrachtete den Knauf seines Spazierstockes. »Ich denke … was wäre, wenn wir etwas mehr für sie tun würden? Was wäre, wenn wir ihr helfen würden, sich aus dieser furchtbaren Ehe zu befreien – für immer?«
Stickley zuckte vor der Härte im Blick seines Partners zurück. Mit einem Mal erinnerte er sich an jene erschreckenden Momente während ihres letzten Abenteuers, zu denen er sich fast sicher gewesen war, dass Wolfe in Erwägung zog, Gewalt anzuwenden. »Du meinst doch nicht …«
Wolfes Blick, der bis dahin in die Ferne gerichtet gewesen war, richtete sich auf Stickleys blasses Gesicht. Das stählerne Glimmen weichte auf, und die anfängliche
Grimasse wich einem lässigen Lächeln. »Keine Sorge, Stick. Ich weiß genau, was ich tue.«
Stickley schüttelte den Kopf. Er war stärker beunruhigt denn je. »Ich habe befürchtet, dass du genau das sagen würdest.«
Zwölftes Kapitel
N achdem Deirdre gefrühstückt und sich angezogen hatte, wusste sie nicht so recht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte. In Brook House gab es nichts zu tun. Der Haushalt lief bereits reibungslos. Sie hatte an diesem Tag nichts weiter vor, als nach dem vermissten Kätzchen zu suchen, und auch nichts an den nächsten Tagen, sodass sie sich später also weder für irgendein Kleid noch eine Frisur entscheiden musste.
Standhaft widerstand sie der Versuchung, sich in Meggie eine Komplizin zu suchen, denn das hätte etwas zu sehr danach ausgesehen, als befolge sie den Befehl seiner Lordschaft, seine Tochter zu erziehen. Außerdem hatte sie jedes Recht dazu, ihr neues Heim zu inspizieren.
Sie beschloss, sich vom Keller bis ins Dachgeschoss durchzuarbeiten.
Leider war der Keller extrem langweilig, bestand er doch aus einem rigide organisierten Lager für Wurzelgemüse und einer sogar noch makelloseren Küche, in die sie nicht wagte ihren Fuß zu setzen.
Die öffentlichen Räume des Hauses, die Salons, das Musikzimmer, die Empfangsräume, kannte sie bereits zur Genüge. Das Arbeitszimmer seiner Lordschaft blieb ein Mysterium, aber Deirdre wollte sich nicht in die Höhle der Bestie vorwagen – vor allem nicht, wenn sie sich daran
erinnerte, wie er sie in der vergangenen Nacht angesehen hatte!
Sie musste sich ihm irgendwann stellen, wenn sie diesen Krieg gewinnen wollte, aber vielleicht noch nicht jetzt.
Letztendlich schlenderte sie die Galerie entlang und lugte unter die mit Tischdecken versehenen Tische, wobei sie Laute von
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