Flammende Versuchung
dem, was gestern passiert ist. Ich würde damit nur noch alles schlimmer machen. Wahrscheinlich muss ich dieses Mal darauf warten, dass er zu mir kommt.«
Fortescue richtete sich auf und schüttelte sein Tuch aus. »Eine hervorragende Idee, Mylady.«
Da lächelte Deirdre. »Nun, dann nehme ich an, dass ich mich ankleiden sollte, nur für den Fall, dass wir heute Besuch bekommen sollten.« Sie würde gewiss nicht wollen, dass Brookhaven sie dabei erwischte, wie sie auf ihn wartete. Es wäre nett, wenn Sophie vorbeikäme. Oder Graham. Ach, heute würde sie sich sogar darüber freuen, diesen Idioten Baskin zu sehen.
War es nicht ein Jammer, dass von allen Wünschen, die sie kürzlich geäußert hatte, ausgerechnet der nach Baskins Anwesenheit sich erfüllte? Am späten Vormittag ertrug Deirdre einen weiteren Lobgesang auf ihre zeitlose Tugend und überweltliche … Jugend? O Gott, die scheußlichen Reime waren heute ja noch schlechter als sonst!
Dieses Stück war eine Ode an den Tag, da er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als sie in einer offenen Kutsche durch den Park gefahren war und sie ausgesehen hatte »wie Boudicca bei der Verfolgung der römischen Armee«. Es war ein Tribut an sein fehlendes Talent, dass er einen solchen Vergleich anstellte, denn weder fuhr sie an jenem Tag selbst noch hatte sie rotes Haar. Und während sie zwar hin und wieder den Wunsch verspürt haben
mochte, Tessa niederzurennen, so war sie doch nicht der Typ, der den römischen Horden nachgesetzt hätte.
Sophie hingegen … Ihr Blick schweifte zu Sophie, die am Fenster stand und hinausschaute. Das Licht brach sich rotgold in Sophies Haaren, und etwas an ihrer verärgerten Haltung – Sophie hielt Baskin für einen ausgesprochenen Idioten – und ihrer hochgewachsenen Gestalt kam Deirdre … herrisch vor.
Deirdre blinzelte. Himmel, ihr fehlender Schlaf musste ihr ganz schön zusetzen! Was für eine Idee – die freundliche, vergeistigte Sophie eine Kriegerkönigin?
Endlich war das Gedicht zu Ende – dankenswerterweise dieses Mal nach weniger als einer Stunde -, und Baskin himmelte sie erwartungsvoll an. »Was meint Ihr?«
Ah, das machte Baskins eigentlichen Charme aus. Es kümmerte ihn wirklich, was sie dachte. Er bellte keine Befehle, er wurde nicht rücksichtslos, er starrte sie nicht aus heißen, schwarzen Augen an …
Deirdre schüttelte den Anflug von Hitze ab, der sie bei dieser Erinnerung überkam, und lächelte Baskin freundlich an. Ein bisschen zu freundlich, wenn man nach dem leidenschaftlichen Glänzen ging, das in seine wasserblauen Augen trat. Sein rundliches Gesicht wurde dunkelrot, und er rückte näher an sie heran.
»Äh …« Deirdre gelang es, von ihm abzurücken, indem sie nach den eng beschriebenen Blättern in seiner Faust griff und sich dann erhob. »Ich werde es immer zu schätzen wissen.« Sie trat geschmeidig zur Seite, sodass er fast dahin fiel, wo sie gerade noch gesessen hatte. Das Fenster war der von seinem Eifer am weitesten entfernt
gelegene Punkt. Sie floh – zu dumm, dass sie nicht einfach hinausspringen konnte! »Sieh nur, Sophie! Baskin hat mir sein Gedicht vermacht!«
Sophie, die den anderen noch immer den Rücken zukehrte, verdrehte genervt die Augen. »Das ist wirklich aufregend«, murmelte sie. »Wie froh du sein musst!«
Immer noch strahlend lächelnd, drehte sich Deirdre um, um die Seiten Graham zu zeigen, der sich in einem hohen Lehnstuhl niedergelassen hatte und fest schlief. »Graham, ist das nicht wunderbar?« Sie weckte ihn mit einem Tritt gegen den Knöchel, der durch ihre langen Röcke verdeckt wurde.
Mit einem Ruck war er wach. »Au! Wie … exzellent!«
Graham war schon immer schnell von Begriff gewesen. Jetzt zuckte Deirdre mit den Augenbrauen und deutete mit den Augen in Baskins Richtung. »Du siehst müde aus, Graham. Bist du dir sicher, dass du nicht krank bist? Sophie, sieht Graham für dich nicht auch ein bisschen krank aus?«
»Du liebe Güte.« Sophie schnarchte schier vor Langeweile. »Graham, Ihr müsst bei Kräften bleiben. Ich werde Euch höchstpersönlich nach Hause bringen.«
Glücklicherweise wollte Graham genauso gerne fliehen wie Deirdre selbst, und auch wenn Baskin noch gerne geblieben wäre, nachdem die anderen aufgebrochen waren, so wäre es doch ein Zeugnis überaus schlechter Manieren zu bleiben, wenn er nicht ausdrücklich darum gebeten wurde.
Sophie stürmte aus der Haustür, sobald Fortescue beiseite
getreten war. Es war ihr ein Rätsel, wie
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