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Flammender Diamant

Titel: Flammender Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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farbigglänzendes Foto heraus, das er an den Diamanten vorbei zu Cole hinüberschob. Cole sah es sich an, wie ein Pokerspieler seine letzte Karte betrachtet hätte - mit einem einzigen, konzentrierten, ausdruckslosen Blick.
    Die Frau auf dem Bild hatte langes, glänzendes mahagonirotes Haar. Wo die Sonne darauf schien, brannte seine Farbe leuchtend rot. Ihre Haut besaß einen goldenen Schimmer, der darauf schließen ließ, daß sie ihre Zeit im Freien eher in Bewegung verbrachte als damit, eingeölt und passiv am Strand zu liegen. Ihr Mund war klar geschnitten, voll und lächelnd. Und ihre Augen waren von einem leuchtenden Grün, das Cole an den Diamanten erinnerte.
    Dann dachte er an das, was Wing über das Mädchen und das »unvollständige Wesen« gesagt hatte.
    »Unvollständig? Das glaube ich nicht«, sagte Cole. »Dies ist eine erstaunliche Frau. Sieh dir die untergründige Spannung in ihrem Ausdruck an, eine Art von elementarer, tierhafter Aufmerksamkeit liegt in ihren Augen. Und da ist auch Unschuld, ein Eindruck von Unberührtheit, eine grundlegende Ehrlichkeit, die aussieht als stamme sie aus einer Phase vor der menschlichen Sprache mit ihren Begriffen von Wahrheit und Lüge.«
    Wing hob die Augenbrauen. »Das Foto ist ein gutes Portrait, aber nicht so gut.«
    »Ich kenne sie«, sagte Cole einfach.
    »Was? Wie?«
    »Ich bin ihr noch nie begegnet, aber ich kenne ihre Arbeit. Ich erinnere mich an das Foto vom Umschlag ihres Buches Arktische Odyssee. Auf dem Buch wird ihr Nachname als Shane, nicht Windsor, angegeben.«
    »Erin Shane Windsor«, sagte Wing. »Sie ist Abelard Windsors Großnichte.«
    Einen Augenblick lang war Cole sehr still. Er erinnerte sich an einige der Fotos dieser Frau, und er hörte innerlich die hohlen Schreie von Wölfen über der gefrorenen Tundra. Das Geheul der Wölfe barg eine Wahrheit, die nur wilde Tiere und ruhelose Männer verstanden. Und wenige Frauen. Sehr wenige. Erin Shane Windsor war eine von ihnen. Das hatte er in ihren Fotos gespürt. Sie hatten ihn gefangen, festgehalten, erschüttert.
    Arktische Odyssee war eines der wenigen angenehmen Dinge gewesen, die Cole in letzter Zeit erfahren hatte. Selbst in seiner Erinnerung war noch die intensive sinnliche Ausstrahlung der Fotos lebendig, in denen die Beschaffenheit des Eises, des Lichts und die samtenen Farbschattierungen nach Berührung zu schreien schienen. Und noch etwas hatte ihn an den Fotos betroffen gemacht. Die Fotografin hatte eine furchtlos klare Einschätzung, was das Gleichgewicht von Tod und Leben, Dunkelheit und Sonnenlicht, Eis und Hitze betraf. Die Fotos waren kraftvoll, nicht sentimental, intelligent, nicht rührend. Und sie hatten ihn auf einer Ebene angesprochen, die über Zivilisation und Sprache hinausging.
    »Du solltest keine zehn Millionen darauf wetten, daß ich Erin Shane Windsor verführen kann«, sagte Cole. »Ihre Fotos lassen darauf schließen, daß sie weder dumm noch naiv ist, und eine derart attraktive Frau wird sich wohl kaum langweilen.«
    »Ob du sie verführst oder nicht, ist deine Sache. Deine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, daß sie nicht ums Leben kommt, bis sie Crazy Abes Geheimnis entschlüsselt hat. Oder bis du selbst die Mine gefunden hast. Danach ist Miss Windsor nicht länger von Bedeutung. Nur die Mine ist wichtig, sie muß um jeden Preis geschützt werden.«
    »Selbst um den Preis von Erin Windsors Leben?«
    »Ihr Leben. Deines. Meines. Außer dieser Mine ist überhaupt nichts wichtig. Nichts.«
    Cole sah Wing prüfend an. Diese Worte klangen weniger nach dem eulenhaften Absolventen der Harvard-Universität als nach Chen Li-tsao, Wings Onkel. Der ältere Chen war ohne weiteres in der Lage, in seinen Rechnungen den Preis eines menschlichen Lebens ganz gering anzusetzen. Aber Wing war früher anders gewesen. Er hatte immer sanfter gewirkt, war weicher geworden durch seine westliche Ausbildung.
    Offensichtlich hatte sich Wing in den letzten fünf Jahren verändert.
    »Die Familie Chen arbeitet schon ziemlich lange an dieser Sache, oder?« fragte Cole langsam.
    »Erst seit wir sicher waren, daß die Briten Hongkong den Ideologen aus China überlassen. Einer von meinen Onkeln hat bei Abelard Windsor gelebt, und zwar länger, als du ihn überhaupt gekannt hast.«
    Cole suchte in seiner Erinnerung. »Der Koch, den Abe immer den >verflucht häßlichen Wog< nannte. Der Koch war auch da in der Nacht, als wir uns betrunken haben. So habt ihr also von den Spielschulden

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