Flammender Himmel
vergessen?«
»Es gibt noch andere Führer«, sagte Angel.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem zynischen Halblächeln, einem Lächeln, das dem von Hawk täuschend ähnlich war.
»Wie Carlson zum Beispiel«, meinte sie.
Hawks Augen verengten sich. Er wußte, wenn Angel Carlson erzählte, was geschehen war, dann würde der riesige Indianer sein Bestes geben, um ihm eine ganz persönliche Führung durch die Hölle zu verschaffen.
Im Moment jedoch hatte der Gedanke an eine wilde Prügelei etwas durchaus Verlockendes für Hawk, versprach sie doch ein Ventil für die unerklärliche Wut, die ihn immer noch gepackt hielt. Seine Lebensphilosophie wäre beinahe von einer Frau zerstört worden.
Wieder.
»Was wirst du Derry sagen?« fragte er barsch.
»Daß wir einfach nicht miteinander auskommen.«
»Im Bett schon. Oder bilde ich mir etwa nur ein, daß dir meine Berührungen gefallen haben?« fragte Hawk grausam.
Angel sah ihn einen Moment lang nur wortlos an. Wütend und gedemütigt, wie sie war, hätte sie am liebsten abgeleugnet, daß ihr die Berührung seiner Hände gefallen hatte. Aber sie erlag der Versuchung nicht. Sie wollte sich schließlich noch einen Rest ihrer Würde bewahren.
Und sie wollte sich nicht als Flittchen und als Lügnerin fühlen.
»Jeder macht mindestens einen schweren Fehler, bevor er erwachsen wird«, sagte Angel leise. »Und du warst meiner.«
Hawks Blick verfinsterte sich. Er stellte keine Fragen mehr. Langsam wurde ihm klar, daß Angels Wahrheiten weit schmerzhafter waren als die Lügen anderer Frauen.
ln diesem Augenblick merkte er, daß sie’s schon wieder getan hatte, die Wahrheit gesagt, keine Lügen, sondern die ganze erschütternde Wahrheit.
Den Rest der Fahrt zurück zum Campbell River verbrachten sie schweigend, ebenso wie die Autofahrt zum Haus der Ramseys. Derry schlief schon, als sie ankamen.
Angel, die für diesen kleinen Aufschub aufrichtig dankbar war, ging rasch zum Nordflügel des Hauses, wo ihre Zimmer lagen. Sie hatte für Hawk weder einen Blick übrig, noch wechselte sie ein Wort mit ihm. Für sie hatte er aufgehört zu existieren. Nichts existierte mehr außer einer gläsernen Rose, so rot wie Blut. Sie hielt an diesem Bild fest wie ein Berggipfel am Licht, lange nachdem der Rest der Welt längst in Dunkel getaucht ist.
Angel riß sich ihre Sachen vom Leib und warf sie achtlos zu Boden, während sie zur Dusche ging. Minutenlang stand sie unter dem heißen Wasserstrahl, seifte sich ab, wusch sich und seifte sich erneut ab, bis ihre Haut wund und rot war.
Sie fühlte nichts, ließ nichts ihren Panzer durchdringen. Sie wußte, daß diese gnädige innere Taubheit nur vorübergehend war. Sie wußte, daß die Zeit kommen würde, in der sie sich über
ihre Gefühle klarwerden mußte, in der sie Hoffnung von Wahrheit, Irrtum von Schmerz trennen mußte. Eine Zeit des Lernens.
Aber nicht jetzt. Noch nicht. Jetzt genügte es, wenn sie diese Minute, diesen Augenblick überstand, und den nächsten und den folgenden.
Angel verließ die Dusche erst, als das ganze warme Wasser aufgebraucht war. Und selbst dann blieb sie noch so lange, bis es unangenehm kalt wurde. Sie trocknete sich rasch ab und rubbelte ihr Haar so lange und heftig, bis ihr die Finger schmerzten.
Erst dann wurde ihr bewußt, daß ihr Tränen übers Gesicht liefen, daß sie weinte, seit sie die Schlafzimmertür hinter sich zugemacht hatte. Zornig rubbelte sie ihr Gesicht ab.
Doch die Tränen ließen sich nicht aufhalten, stumme Tränen, die sie nicht unter Kontrolle hatte.
Abrupt warf Angel das Handtuch beiseite. Rasch streifte sie ihre Arbeitsklamotten über, Jeans und ein Jeanshemd, die beide so ausgebleicht waren, daß sie fast weiß aussahen. Sie zog weiche Mokassins an, kämmte ihr feuchtes Haar zurück und ging durch die Verbindungstür in ihr Studio.
Die Nordwand, die ganz aus Glas bestand, war so schwarz wie Hawks Pupillen. Einen Moment lang stand Angel bewegungslos da und fragte sich, ob sie die Kraft hatte weiterzumachen.
Du durchlebst immer nur einen Augenblick auf einmal', nicht mehr, ermahnte sie sich im stillen. Immer nur den jetzigen. Den kannst du schaffen.
Das ist nicht schwer, dafür braucht man keine Kraft. Nur einen Augenblick. Immer nur einen nach dem anderen.
Die vertraute Litanei half Angel, den Schmerz, der sie wie mit Eisenkrallen umklammert hielt, zu ertragen. Langsam bewegte sie ihre Hand zum Lichtschalter. Es klickte, und der Raum erstrahlte von einem Augenblick zum
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