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Flammender Himmel

Titel: Flammender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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nächsten in harter, weißer Helligkeit.
    Angezogen vom stummen Funkeln der farbigen Glassplitter, das ihr aus allen Ecken entgegenleuchtete, trat sie ein. Egal, was
    auch geschah, das hier würde ihr keiner nehmen können, eine Welt voller Farben, die sie umhüllte, ein konstruktives Ventil für Gefühle, die sie ansonsten zerstört hätten.
    Diesen Augenblick.
    Nur diesen.
    Angel holte tief Atem und ging zu einem der Arbeitstische, die unter den Neonröhren standen. Zwei davon waren bis auf den dicken, dichtfaserigen Teppich auf ihrer Oberfläche ganz normale Tische. Der dritte besaß eine durchsichtige, erleuchtete Glasplatte, auf der mehrere farbige Glasscherben zu einem bestimmten Muster angeordnet lagen.
    Zu diesem Tisch ging Angel. Das Bild, an dem sie zur Zeit arbeitete, war bestechend einfach - drei Gläser mit Marmelade, die in einem Bauernhausfenster zu stehen schienen. Vom oberen Rand des Bildes rankten dichte Brombeer- und Himbeerbüsche voller saftiger, reifer Früchte herunter. Das »Fenster« selbst bestand aus einem hellen, goldfarbenen Glas, ein Farbton, der exakt der Färbung der Nachmittagssonne entsprach.
    Sie hätte auch normales Fensterglas benutzen können, tat es aber nicht. Sie verwendete niemals farbloses Glas. Farblose Glassplitter und -Scherben, die im harten, weißen Lampenlicht funkelten, erinnerten sie unweigerlich an den Unfall, an die schrecklichen Schmerzen, an den Tod.
    Die meisten der Glasstücke waren bereits fertig zugeschnitten. Angel mußte nur noch die Beerenbüschel zuschneiden, die üppig vom oberen Bildrand wucherten. Als Zweige würde sie die Bleiverbindungen benutzen. Die Blätter hatte sie aus einem Stück grünem Preßglas zugeschnitten. Die natürlichen Farbvariationen in dem Glas ließen den Busch fast lebendig wirken.
    Die Blattadern wiederum hatte sie aufgemalt. Angel würde die Farbe später in einem Glasofen erhitzen, ein Prozeß, der die Farbe untrennbar mit dem Glas verband. Obwohl sie einen ähnlichen Effekt erreicht hätte, wenn sie die Adern in farbiges Schichtglas geätzt hätte, hatte sich Angel für das Preßglas mit seinen zahlreichen inhärenten Farbschattierungen entschieden.
    Sie schaltete den Glasofen an, streifte weiche Lederhandschuhe über und nahm einen einfachen Glasschneider. Das harte Stahlrad des Schneiders und sein wie ein Stift geformter Griff fügten sich genau an die kleinen Schwielen an ihrer rechten Hand.
    Sie schob die aus allen Schattierungen von Himbeerrot bestehende Glasscheibe auf der Papierzeichnung, die sie auf der erleuchteten Glasplatte befestigt hatte, zurecht. Durch das künstliche Licht von unten zeichneten sich die schwarzen Linien, denen sie mit ihrem Schneider zu folgen hatte, klar durch das rote Glas ab. Das Rad summte, als Angel den Glasschneider über die Scheibe zog, wobei sie eine hauchdünne Linie Glasstaub hinterließ.
    Sobald sie die ersten Umrisse gezogen hatte, legte sie den Glasschneider beiseite. Sanft, aber dennoch fest bog sie die Glasscheibe, bis sie an der dünnen Schnittlinie auseinanderbrach.
    Die runden Beeren dagegen konnte sie nicht in einem Stück schneiden, da die Kurven zu eng waren. Nachdem sie die weiteren Außenränder geschnitten hatte, nahm sie eine Glaserzange und kniff die benötigten Rundungen ins Glas. Diese Arbeit verlangte sowohl Sorgfalt als auch Konzentration. Für Angel war dies wie Balsam, und sie vertiefte sich nur zu bereitwillig in ihre Arbeit, ließ sie doch die Minuten und Stunden fast unbemerkt verrinnen.
    Unter ihrer Konzentration rang ihr Verstand jedoch verzweifelt um eine Art Lösung, um einen Zustand, der ihr erlaubte, mehr als nur von Augenblick zu Augenblick zu leben.
    Die Arbeit mit dem Glas verschaffte Angel immer Frieden, gab ihr Raum zum Atmen. Sie hatte ihr geholfen, mit all den kleinen und größeren Enttäuschungen ihrer Kindheit fertig zu werden - und auch mit dem schrecklichen Tod ihrer Eltern und Grants und seiner Mutter. Und sie würde ihr auch helfen, über Hawk hinwegzukommen. Ihre Arbeit half ihr, jeden Augenblick zu leben, wie er kam, immer nur diesen einen, nur den Moment, in dem funkelndes Glas unter ihren Händen Form annahm.
    In der Stille, die nur von dem hohen Summen des Glasschneiders unterbrochen wurde, formte Angel auch die restlichen Stücke für Mrs. Careys Geschenk. Als der Glasofen heiß war, legte sie die Blätter hinein. Während sie dort buken, fuhr sie mit dem Schneiden fort, diesmal jedoch an einer blaßgoldenen Preßglasscheibe. Es war

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