Flammendes Begehren
ich«, entgegnete Elizabeth, der – wenn sie ehrlich war – der Magen bereits seit längerem knurrte.
»Wie wollt Ihr de Lanceau denn ein Schnippchen schlagen, wenn Ihr fast vom Fleische fallt?«
Elizabeth seufzte. Mildred hatte recht. Niedergeschlagen hakte sie sich bei der Zofe unter, die der Wache den Tiegel aus der Hand riss, ehe sie sich in Bewegung setzten und zu dem Karren zurückliefen.
Von einigen seiner Männer umstanden, justierte de Lanceau das Zaumzeug seines grauen Streitrosses. Als er aufsah und die Augen zusammenkniff, wandte Elizabeth schnell den Blick ab, rauschte an ihm vorbei und begutachtete die Speisen, die auf einer Decke auf der heruntergelassenen Klappe des Karrens ausgebreitet lagen. Brot, das aussah, als wären vom Mahlen noch Steine im Mehl zurückgeblieben, gepaart mit gelblichem Käse und dazu Met aus einer abgewetzten Schweineblase.
Wehmütig und mit krampfendem Magen dachte Elizabeth daran, dass Fraeda stets darum bemüht war, die größten Steine auszusortieren, damit sich die Burgbewohner nicht die Zähne daran ausbissen.
Währenddessen öffnete Mildred den Tiegel, roch an der Salbe und holte mit dem Finger etwas von der schmierigen gelben Paste heraus.
»Am besten, Ihr setzt Euch auf den Rand des Karrens, Mylady. Die Salbe stinkt entsetzlich, aber wir haben keine andere Wahl.«
Elizabeth tat, wie ihr geheißen, und während Mildred ihr die Stirn einrieb, brach Elizabeth sich ein kleines Stückchen Brot ab, knabberte an der Kruste und sah einem Schmetterling nach, der um leuchtend gelbe Butterblumen herumschwirrte. Unter normalen Umständen hätte sie die bunte und wohlduftende Wiese mit den vielen Wildblumen in vollen Zügen genossen und ihre Schönheit zu schätzen gewusst. Als Mildred die Wundränder berührte, zuckte Elizabeth zusammen. Als sie das Gefühl hatte, de Lanceaus durchdringenden Blick zu spüren, strich sie sich mit hastigen Bewegungen das Nachtgewand glatt.
Je früher sie floh, desto besser.
*
Zärtlich klopfte Geoffrey seinem Ross den Hals, ehe er sich in Richtung Karren begab. Ihm war nicht entgangen, dass Elizabeth ihn mit verächtlichen Blicken strafte. Nachdem sie sich die Brotkrumen vom Schoß gewischt hatte, erhob sie sich.
Alles deutete darauf hin, dass er Brackendales Tochter ein unbehagliches Gefühl bescherte. Ausgezeichnet!
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, nahm er sich einen Kanten trockenes Brot. Als er ein Stück davon abbiss, setzte sich seine Gefangene in Bewegung und steuerte mit flatterndem Nachtgewand geradewegs auf den Wald zu. Wie magisch wurde sein Blick von dem dünnen glänzenden Material angezogen, das sich einmal aufblähte, einmal eng an ihren Körper schmiegte.
Sosehr er sich auch dagegen wehrte, er konnte einfach nicht den Blick von ihren sinnlichen Rundungen und ihrem schwarzen Haar abwenden, das ihre schmale Taille umspielte. Welch ein alberner Wunsch, mit den Fingern durch das seidige Haar zu gleiten, an ihm zu riechen, sich an dem Duft zu laben! Als sie sich auch noch eine Strähne aus dem Gesicht strich, erwachte seine Männlichkeit. Welch ein bezauberndes Wesen!
Aber nein, rief er sich zur Ordnung. Er durfte nicht vergessen, dass Sie Brackendales Tochter war – das Fleisch und Blut seines Erzfeindes.
Als er das Gefühl hatte, dass ihm ein Kloß im Hals saß, tastete er nach dem Weinschlauch, setzte ihn an die Lippen und nahm einen großen Schluck von dem warmen Met. Nachdem er sich anschließend mit dem Handrücken über den Mund gefahren war, schalt er sich dafür, einen Moment lang die Kontrolle über seine Gedanken verloren zu haben.
Plötzlich bemerkte er, dass Elizabeth schwankte. Ganz offensichtlich hatte sie Schwierigkeiten, die Balance zu halten. Da, jetzt hielt sie sich auch noch den rechten Arm!
Aus dem Nichts wallten tiefe Schuldgefühle in ihm auf. Auf dem Turnierplatz des Earl of Druentwode und den blutgetränkten Kriegsschaustätten von Akkon hatte er genug Versehrte gesehen, um zu wissen, wann ein Mensch unter Höllenqualen litt. Elizabeth’ Verletzungen schienen schlimmer zu sein, als er angenommen hatte.
Nachdem er die Schuldgefühle abgeschüttelt hatte, beschloss er, alles dafür zu tun, dass ihre Wunden schnellstmöglich verheilten, aber er würde
kein
Mitleid für sie aufbringen. Brackendales Tochter war im Wohlstand aufgewachsen, hatte ein Leben ohne Entbehrungen geführt, und das alles nur, weil sein Vater hatte sterben müssen.
Nein, sein Vater hatte es nicht verdient, als
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