Flammendes Begehren
Elizabeth riss die Augen auf, er lächelte. »Ihr seid der Narr. Ihr seid nichts weiter als ein winziger Spatz, der sich vor einem Falken aufplustert, der ihn jederzeit mit den Krallen packen und sich einverleiben könnte.«
»Ein Falke?« Elizabeth schnaubte. »Nein, Ihr seid nichts weiter als eine hässliche Wespe, die mit einem nervtötenden Geräusch Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte. Ein Laut, der schnell ermüdend wirkt. Es ist nur noch eine Frage von Tagen, ehe mein Vater Euch totschlägt.«
»Totschlägt?« Er feixte. »Ach, Mylady, Ihr tätet besser daran, Euch vor meinem
Stachel
in Acht zu nehmen!« Geoffrey beobachtete das Mienenspiel in Elizabeth’ Gesicht, bis sie seine Worte verstanden hatte.
Zitternd legte sich ihre Hand um den Hals. Ehe er zu einem weiteren Tiefschlag ausholen konnte, drängte Mildred sich zwischen sie und stellte sich vor ihre Herrin.
Die Kammerfrau wedelte mit einem dreckigen Finger vor Geoffreys Gesicht herum. »Ihr werdet auf der Stelle mit diesen geschmacklosen Scherzen aufhören!«
»Geschmacklose Scherze?«, äffte er sie mit tonloser Stimme nach.
»Mimt nicht den Unschuldigen, Mylord!«
Als Geoffrey sah, wie Elizabeth über die Schulter der untersetzten Kammerfrau spähte, musste er lachen. »Ihr braucht Euch nicht um ihre Tugendhaftigkeit sorgen. So verdreckt und verschwitzt, wie sie gerade ist, empfinde ich sie ohnehin nicht als sonderlich anziehend.«
Elizabeth schnappte nach Luft.
Mildred kniff die Augen zusammen. »Ich warne Euch, de Lanceau! Ihr tätet gut daran, Euren Stachel dort zu behalten, wo er hingehört – in Eure Beinkleider!«
Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte er sich um und schlenderte in Richtung Gartentor.
*
Die Hände zu Fäusten geballt, blickte Elizabeth Geoffrey nach, wie er sich mit federndem Schritt entfernte und ein Spiel aus Licht und Schatten über seinen geschmeidigen Körper glitt. Er hatte sich durch seine anzüglichen Worte verraten, hatte preisgegeben, dass er sie begehrte. Er hatte kein Recht, ihr vorzuwerfen, sie hätte ihn verführen wollen. Wenn sie nicht alles täuschte, brauchte ein Mann, den die Leidenschaft fest im Griff hatte, keine gesonderte Aufforderung.
Erst jetzt merkte sie, dass von ihm eine weitaus größere Gefahr ausging, als sie bislang angenommen hatte.
Mildred berührte Elizabeth am Ärmel. »Macht nicht so ein erbittertes Gesicht – er ist fort!«
Geoffrey verschwand hinter einem dichten Busch, der über den Weg wuchs. Wenige Lidschläge später hörte sie, wie das Gatter ins Schloss fiel. Sie atmete auf und löste die Fäuste.
»Je schneller wir Branton Castle verlassen, desto besser«, stellte Mildred fest, schritt auf den Korb zu und schlug das Leinentuch zurück. Sogleich stieg ihr der Duft nach frisch gebackenem Brot in die Nase. »Ich sehe Wein, Brot und Käse. Hier, Mylady, Ihr solltet einen Schluck nehmen, damit die Farbe in Eure Wangen zurückkehrt.« Während die Zofe Wein in einen Becher schenkte und ihn Elizabeth reichte, fragte sie: »Habt Ihr Euch bei dem Sturz eigentlich verletzt?«
Elizabeth blickte auf die schimmernd rote Flüssigkeit in ihren Händen. »Nur ein blauer Fleck, kein Grund zur Sorge.«
Mit dem Fuß schob Mildred die Kriechpflanze fort, die sich geweigert hatte, Elizabeth’ Zerren nachzugeben. Sie hielt inne, ging in die Hocke und untersuchte die Wurzeln. Ein freudig erregter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, und sie deutete auf die schlanke Pflanze, die im Schatten der Ranke wuchs.
An ihrem Wein nippend, trat Elizabeth näher.
Die Kammerfrau blies vorsichtig den Dreck von den wächsern wirkenden Blättern und den schönen violetten Blüten, die wie tiefe Kapuzen eines Umhangs geformt waren.
»Ein weiteres Küchenkraut?«, erkundigte Elizabeth sich.
Mildred schüttelte den Kopf. »Eisenhut. Das könnte der Schlüssel zu unserer Flucht sein.«
Kapitel 12
E rzähl mir mehr über Eisenhut!«, wisperte Elizabeth und stach die Nadel durch die Satteldecke, die auf ihrem Schoß ruhte.
Den Blick auf die Hände gerichtet, räusperte Mildred sich und verlagerte die Beinkleider, die sie gerade ausbesserte. Vielleicht, um besser sehen zu können, vielleicht, um einen verspannten Muskel zu entlasten, der ihr zu schaffen machte.
Vielleicht, um sie zu warnen.
Nach dem Abendessen hatte Geoffrey sie angewiesen, sich an das Feuer zu setzen. Aber sie waren nicht allein. Ganz in der Nähe hatten sich Dominic und Geoffrey niedergelassen. Elizabeth schielte
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