Flammendes Eis
Methanhydrat. Manche Leute glauben, es handle sich um eine Art ›Dampfkochtopf‹. Überall auf dem Meeresgrund gibt es dort Krater, weil die Substanz geschmolzen und unter Freisetzung von Methangas nach draußen gesickert ist.«
Jenkins kratzte sich am Kopf. »Ich muss leider gestehen, dass ich kaum etwas über Hydrate weiß. Seit meinem Abschied von der Universität versuche ich anhand der Fachzeitschriften auf dem Laufenden zu bleiben, aber durch die Hummerfischerei und alles mögliche Andere habe ich nie genug Zeit.«
»Es ist ein vergleichsweise neues Gebiet. Die chemische Zusammensetzung des Hydrats ist Ihnen bekannt?«
»Es besteht aus natürlichen und in Eis eingeschlossenen Gasmolekülen.«
»Ganz recht. Irgendjemand hat es ›flammendes Eis‹ getauft.
Es wurde schon im neunzehnten Jahrhundert entdeckt, aber wir wissen nur wenig darüber. Die ersten natürlichen Vorkommen wurden im Dauerfrostboden Sibiriens und Nordamerikas gefunden und Sumpfgas genannt. In den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts stießen einige Wissenschaftler der Columbia University im Verlauf seismologischer Untersuchungen am Blake Ridge auf Taschen unter dem Meeresgrund. Ein Jahrzehnt später konnten Forscher von Woods Hole an Bord des Tauchboots
Alvin
unterseeische Steinkamine beobachten, die durch entweichendes Methan entstanden waren.
Ich selbst habe an der ersten großen Erkundung Mitte der neunziger Jahre teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit wurden die Vorkommen im Blake Ridge entdeckt. Sie stellen nur einen Bruchteil des Gesamtvorrats dar. Das Potenzial ist gewaltig.«
»Wo befinden sich die größten Lagerstätten?«
»Hauptsächlich am unteren Rand der Festlandsockel, wo der Meeresboden von etwa hundertzwanzig Metern steil auf eine Tiefe von mehreren Kilometern abfällt. Vor beiden Küsten der USA gibt es sehr große Taschen. Darüber hinaus aber auch vor Costa Rica, Japan, Indien und unter dem arktischen Dauerfrostboden. Die weltweite Gesamtmenge ist atemberaubend. Die neuesten Schätzungen belaufen sich auf zehntausend Gigatonnen. Das entspricht der doppelten Menge aller bekannten Kohle-, Öl- und Erdgasreserven.«
Jenkins stieß einen leisen Pfiff aus. »Und wenn uns der Treibstoff ausgeht, brauchen wir sie bloß anzuzapfen.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach«, sagte Reed seufzend.
»Bevor man die Substanz gewinnen kann, müssen erst noch ein paar technische Probleme gelöst werden.«
»Ist es denn gefährlich, die Vorkommen anzubohren?«
»Das hat man zum ersten Mal 1970 versucht. Nichts geschah, aber alle hatten noch jahrelang Angst, bei einem solchen Vorhaben in tausend Stücke gesprengt zu werden. Am Ende wurde mittels einiger Probebohrungen bewiesen, dass Entnahmen zu Forschungszwecken gefahrlos möglich sind. Das Hydrat an die Oberfläche zu bringen, um damit das Haus zu beheizen oder den Wagen zu betanken, ist eine andere Frage.
Die Umgebung am Fundort in großer Tiefe ist extrem lebensfeindlich, und an der Luft löst die Substanz sich zischend in Wohlgefallen auf. Hinzu kommt, dass die eigentlichen Vorkommen Dutzende oder sogar Hunderte von Metern unter dem Meeresboden liegen.«
»Das klingt, als hätten die Bohrinseln einen schwierigen Job zu bewerkstelligen.«
»
Absolut.
Einige Länder und Firmen arbeiten jedoch bereits an einer Lösung. Eine Methode sieht vor, Dampf oder Wasser durch das Bohrloch nach unten zu pumpen. Dadurch schmilzt das Hydrat und setzt Methan frei, das durch ein weiteres Bohrloch zum Meeresboden abgeleitet wird. Aber was dann?
Wenn man das Hydrat einfach herausholt, wird der Boden instabil.«
»Und die teure Pipeline ist nur noch Schrott.«
»Gut möglich. Aus diesem Grund haben ein paar Ingenieure den Plan entwickelt, einen Produktionsbetrieb direkt auf dem Meeresgrund zu errichten. Man pumpt das Hydrat heraus und mischt es mit Wasser. Diese Mischung wird in große transportable Tanks geleitet und von U-Booten zur Fabrikanlage im seichteren Gewässer geschleppt, wo man das Hydrat sicher in Treibstoff und Wasser trennt.«
»Wie auch immer man es anstellt, die Gewinnung des Hydrats gleicht einem Eiertanz.«
»Das ist sogar noch untertrieben. Aber nun zurück zu Ihrer ursprünglichen Frage.«
»Die Hydrate als Auslöser von Erdbeben und Flutwellen.«
»Das ist alles andere als abwegig. Es gibt Anzeichen dafür, dass natürliche Schmelzprozesse den Meeresboden mancherorts destabilisiert haben. Vor der Ostküste der USA, vor Alaska und anderen Ländern wurden
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