Flammendes Eis
stellte er eine Verständnisfrage oder äußerte eine eigene Theorie. Aber als Austin ihm von dem Massaker an Bord der
Sea Hunter
erzählte, lauschte er schweigend und zupfte nur hin und wieder an seinem exakt gestutzten roten Spitzbart. Am Ende des schaurigen Rapports stand er wortlos von seinem Schreibtisch auf, ging zum Fenster und starrte hinaus.
Nach einer Weile wandte er sich wieder zu Austin und Gunn um, die auf Ledersesseln vor dem Tisch Platz genommen hatten.
»Während meiner gesamten Dienstzeit als Führungsoffizier der Navy habe ich weder ein Schiff
noch
eine Besatzung verloren«, sagte er. »Ich gedenke nicht, jetzt damit anzufangen. Dieser Hurensohn und sein Freund Razow werden mit der Ermordung einer kompletten NUMA-Mannschaft nicht davonkommen.«
Die Temperatur im Raum schien um mehrere Grad zu fallen.
Sandecker ging zurück und setzte sich. »Wie geht es Miss Montague, der jungen Dame, die den Angriff überlebt hat?«
»Sie ist zäh«, sagte Austin. »Sie hat darauf bestanden, an Bord der
Sea Hunter
zu bleiben und mit der Ersatzmannschaft den Hafen anzusteuern.«
»Sorgen Sie dafür, dass die junge Dame sich nach ihrer Rückkehr bei mir einfindet.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Austin. »Was gibt’s Neues von der CIA?«
Sandecker griff in den Humidor auf seinem Tisch, nahm eine Zigarre und zündete sie an. »Die CIA ist auf dem Holzweg, das FBI ist skeptisch, und die Streitkräfte sind zu kaum etwas zu gebrauchen, solange man ihnen nicht die Richtung weist und einen Marschbefehl erteilt. Der Außenminister erwidert meine Anrufe nicht.«
»Was ist mit dem Weißen Haus?«
»Der Präsident ist natürlich mitfühlend und besorgt. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche seiner Kabinettsmitglieder ein wenig Schadenfreude empfinden, so als wäre das Massaker die gerechte Strafe dafür gewesen, dass wir unsere Nase in fremde Angelegenheiten gesteckt haben. Es gefällt ihnen nicht, dass die NUMA die Crew der
NR-I
gerettet hat.«
»Welchen
Unterschied
macht es, wer die Leute rettet, solange sie nur überhaupt gerettet werden?«, fragte Austin verärgert.
Sandecker stieß eine Rauchwolke aus, die seinen Kopf vorübergehend in violette Schwaden hüllte. »Ich nehme an, das war eine rhetorische Frage, denn Sie kennen sich viel zu gut mit den Mechanismen dieser Stadt aus. Sie wissen, dass innerhalb des Beltway so etwas wie Dankbarkeit nicht existiert. Wir haben denen den Wind aus den Segeln genommen, und das verübeln sie uns.«
Gunn seufzte. »Das deckt sich mit den Gerüchten, die ich gehört habe. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar behauptet, unser ›stümperhaftes Verhalten‹ sei der Grund dafür, dass der Kapitän, der Steuermann und das U-Boot weiterhin verschollen bleiben.«
»Wie nett von uns, den anderen Behörden eine Entschuldigung für die eigene Inkompetenz zu liefern«, sagte Sandecker. »Aber ich fürchte, es bedeutet, dass die NUMA im Fall
Sea Hunter
auf sich allein gestellt ist. Wissen wir schon Näheres über diesen Boris?«
»Er ist ein Phantom«, sagte Austin. »Wir sollten uns auf Razow konzentrieren. Nach letzten Berichten ist seine Jacht in See gestochen. Wir versuchen derzeit, sie ausfindig zu machen.«
»Das allein reicht nicht«, sagte Sandecker.
Die Gegensprechanlage auf seinem Tisch meldete sich mit einem leisen Piepton, gefolgt von der Stimme seiner Sekretärin.
»Ich weiß, dass Sie in einer Konferenz sitzen, Admiral, aber Mr. Yaeger ist mit zwei anderen Gentlemen hier aufgetaucht und sagt, er müsse Sie unbedingt sofort sprechen.«
»Schicken Sie die Herren bitte herein«, sagte Sandecker.
Gleich darauf öffnete sich die Bürotür, und Yaeger, der klein gewachsene Dr. Reed und ein Fremder traten ein. Sandecker hatte zu viel Zeit auf dem Wasser verbracht, um in Jenkins nicht sofort den Fischer zu erkenne n, vor allem, als er bei dessen Händedruck die harten Schwielen spürte.
Er begrüßte die Männer freundlich und bat sie, ebenfalls Platz zu nehmen. »Nun, Hiram, was hat Sie aus Ihrem Allerheiligsten vertrieben?«
»Ich glaube, Dr. Jenkins kann das besser erklären als ich.«
Die Anwesenheit des legendären Leiters der NUMA machte Jenkins nervös, aber sobald er mit dem Bericht anfing, lief alles wie von selbst. Nachdem er geendet hatte, gab Reed seine Meinung als Geochemiker ab. Schließlich ergriff auch Yaeger das Wort und verteilte Ausdrucke der Diagramme, die Max auf den Schirm projiziert hatte. Sandecker lehnte sich auf
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