Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammendes Eis

Flammendes Eis

Titel: Flammendes Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
Vom Netzwerk:
– er konnte tatsächlich bis auf den Grund sehen. Das Phänomen dauerte nur ein paar Sekunden. Dann schoss das Wasser mit dem Lärm einer startenden 747 zurück und hob die vertäuten Fischerboote wie Spielzeuge empor. Im Abstand weniger Augenblicke folgten zwei weitere Wogen, die jeweils höher als der Vorgänger waren und die Uferzone mit unglaublicher Wucht überspülten. Als sie wieder zurückbrandeten, waren das Motel und der Fischerpier verschwunden.
    Das Rocky Point, zu dem Jenkins zurückkehrte, unterschied sich deutlich von demjenigen, das er am frühen Morgen verlassen hatte. Die Kutter aus dem Hafen lagen nun in einem wirren Knäuel aus Holz und Fiberglas am Ufer. Kleinere Boote waren bis auf die Main Street geworfen worden. Die Schaufenster zahlreicher Geschäfte schienen einer Bande Vandalen zum Opfer gefallen zu sein. Im Wasser trieben Trümmer und Algen, und es stank nach Schwefel und totem Fisch. Das Motel war spurlos verschwunden. Vom Pier standen nur noch die Stützpfeiler, wenngleich die robuste Betonmauer des Hafens keinerlei Beschädigung aufwies. Jenkins hielt mit seinem Boot auf eine winkende Gestalt zu. Chief Howes fing die Halteleinen, machte sie fest und kam an Bord.
    »Wurde jemand verletzt?«, fragte Jenkins und ließ den Blick über den Hafen und die Stadt schweifen.
    »Jack Shrager ist tot. Soweit wir wissen, hat es sonst niemanden erwischt. Alle anderen konnten aus dem Motel evakuiert werden.«
    »Danke für dein Vertrauen. Tut mir Leid, dass ich dich einen alten Narren genannt habe.«
    Der Chief blies die Wangen auf. »Genau das wäre ich gewesen, falls ich abgewartet und nichts unternommen hätte.«
    »Erzähl mir, was du gesehen hast«, bat Jenkins. Der Wissenschaftler in ihm gewann die Oberhand über den Samariter.
    Howes schilderte seine Eindrücke. »Wir standen oben an der Hill Street. Es klang und sah aus wie ein Unwetter, und dann leerte sich das Hafenbecken, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Ich konnte wirklich bis auf den Grund sehen. Ein paar Sekunden später kam das Wasser laut wie ein Düsenjet wieder zurück.«
    »Guter Vergleich. Auf dem offenen Meer kann eine Tsunami bis zu neunhundertfünfzig Kilometer pro Stunde zurücklegen.«
    »Das ist
schnell!
«, sagte der Chief.
    »Zum Glück verringert sich die Geschwindigkeit in den flacheren Küstengewässern, aber die Energie der Welle nimmt leider nicht ab.«
    »Ich hatte mir das irgendwie anders vorgestellt. Du weißt schon, eine fünfzehn Meter hohe Wasserwand oder so. Das hier war mehr wie eine überdimensionale Brandung. Ich habe drei Wellen gezählt, die immer höher wurden. Die letzte hatte etwa neun Meter. Sie haben das Motel und den Pier verschlungen und die Main Street überflutet.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß ja, dass du ein Professor bist, Roy, aber woher wusstest du so genau, was passieren würde?«
    »Ich habe so etwas schon mal vor der Küste von Neuguinea erlebt. Wir waren mit Forschungsarbeiten beschäftigt, als ein unterseeischer Erdrutsch eine Tsunami von zehn bis zwanzig Metern Höhe ausgelöst hat. Als unser Schiff von den Wellen aus dem Wasser gehoben wurde, hat sich das genauso angefühlt wie heute. Die Bevölkerung an Land wurde gewarnt, und viele schafften es auch, sich in höhere Regionen zu flüchten, doch trotzdem sind mehr als zweitausend Menschen ums Leben gekommen.«
    Der Chief schluckte. »Das sind mehr als diese Stadt Einwohner hat.« Er ließ die Worte des Professors Revue passieren. »Glaubst du, dass auch
hierfür
ein Erdbeben verantwortlich ist? Ich dachte, so etwas kommt nur im Pazifik vor.«
    »Normalerweise hättest du Recht.« Jenkins starrte stirnrunzelnd aufs Meer hinaus. »Es ist mir absolut unbegreiflich.«
    »Mir bereitet noch etwas ganz anderes Kopfzerbrechen. Wie soll ich begründen, dass ich das Motel wegen einer angeblichen Bombendrohung evakuiert habe?«
    »Meinst du, das dürfte jetzt noch jemanden interessieren?«
    Chief Howes musterte die Stadt und die vielen Leute, die sich vorsichtig den Hügel hinab zum Hafen vorwagten, und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Vermutlich nicht.«

2
    Ägäisches Meer
    Das Forschungstauchboot
NR-I
schaukelte sanft in den Wellen vor der türkischen Küste und wäre nahezu unsichtbar geblieben, wäre der Kommandoturm nicht so leuchtend orangerot gewesen. Kapitän Joe Logan stand breitbeinig auf dem vom Meer überspülten Deck und hielt sich an einem der Horizontalflügel fest, die aus den Seiten des Turms ragten.

Weitere Kostenlose Bücher