Flammendes Eis
Mondlicht schimmern.
»Ich bin gerade um mindestens zehn Jahre gealtert, Iwan.
Hätten Sie nicht einfach hallo sagen können, um mich auf Sie aufmerksam zu machen?«
»Ich möchte in Übung bleiben und nicht meinen Schwung verlieren«, sagte Petrow.
»Glauben Sie mir, Sie sind so schwungvoll wie eh und je.
Wer hat Sie in mein Land gelassen?«
»Im Gegensatz zu Ihrem unrechtmäßigen Abstecher nach Russland halte ich mich mit dem Segen Ihres Außenministeriums hier auf. Ich befinde mich auf einer landwirtschaftlichen Handelsmission für die sibirische Schädlingsbekämpfung und habe das hiesige russische Konsulat ersucht, mich auf die Gästeliste für diesen Empfang zu setzen.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Ich sah Sie den großen Salon verlassen und bin Ihnen in den abgesperrten Schiffsbereich gefolgt. Ihr verändertes Gesicht hat mich ein wenig zweifeln lassen, das gebe ich gern zu, aber Ihre breiten Schultern und die selbstsichere Körperhaltung waren einfach unverkennbar. Woher haben Sie übrigens diese unglaubliche Perücke?«
»Die habe ich auf einem KGB-Flohmarkt gekauft.«
»Das würde mich heutzutage nicht mal mehr überraschen.
Darf ich fragen, weshalb Sie hier auf Händen und Knien im Dunkeln herumgerutscht sind?«
»Ich habe eine Kontaktlinse verloren.«
»Ach, tatsächlich? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass in Ihrer Akte etwas von einer Sehschwäche stand.«
Austin kicherte und erzählte dem Russen von den elektronischen Schnüfflern. Iwan war gebührend beeindruckt und bat lediglich, über die gewonnenen Erkenntnisse informiert zu werden. »Ich schlage vor, wir begeben uns zurück zu dem Fest«, sagte er. »Die meisten Wachen beobachten die Gäste, aber es sind auch einige Patrouillen unterwegs.«
Austin wusste, dass sie ihr Glück nicht überstrapazieren durften. Sie hielten auf die Lichter und die Musik zu und nutzten dabei jeden Schatten oder dunklen Winkel. Nur ein einziger Posten kam ihnen entgegen, und sie duckten sich hinter einen Poller, bis er weitergegangen war. Kurz darauf schlenderten sie zwischen den anderen Gästen über das Achterdeck.
Petrow, der in seinem Smoking überaus elegant wirkte, zündete sich eine amerikanische Zigarette an. »Was haben Sie noch vor?«
»Ihnen ist nicht zufällig Razows Lieblingsmönch begegnet, oder?«
»Ich nehme an, dass Razow es vorzieht, Boris bei einem solchen öffentlichen Ereignis lieber nicht auftreten zu lassen.
Vielleicht befindet er sich nicht einmal an Bord. Wir werden ihn kaum zu Gesicht bekommen.«
»In diesem Fall würde ich mich gern ein paar Minuten mit unserem Gastgeber unterhalten.«
»Mit
Razow?
Halten Sie es für klug, sich hier in seinem Revier zu erkennen zu geben?«
»Womöglich gelingt es mir, ihn zu überrumpeln, so dass er einen Fehler begeht.«
»Soweit ich weiß, ist es ziemlich gefährlich, mit Klapperschlangen zu spielen, aber tun Sie ruhig, was Sie nicht lassen können. Ich werde noch eine kleine Runde drehen und das gute Essen genießen.«
»Sind Sie allein hier?«
Ein Kellner mit einem Tablett voller Getränke kam an ihnen vorbei. Petrow nahm sich einen Wodka, trank ihn auf einen Zug aus und lächelte. »Ich bin in der Nähe, falls Sie mich brauchen.«
Die Party lief auf Hochtouren. Überall standen Gäste mit ihren Tellern und Gläsern. Die Kosaken-Band spielte keine Volkslieder mehr, sondern einen lauten Rocksong. Petrow mischte sich unter die Leute und verschwand in der Menge, als wäre er ein Blatt, das von einem Strom davongetragen wurde.
Austin sah eine Menschentraube, in deren Mitte Razow Hof hielt. Er rückte etwas näher und überlegte noch, wie er am besten an den Leibwächtern vorbeikommen konnte, als die beiden langbeinigen Hunde die Initiative ergriffen, sich von Razow losrissen und geradewegs auf Austin zurannten. Genau wie zuvor sprangen sie an ihm hoch, legten ihm die Pfoten auf die Brust und leckten sein Gesicht ab. Es gelang ihm, sich mit einer geschickten Drehung zu befreien.
Er packte die Leinen und hielt sie kurz, um die lärmenden Tiere unter Kontrolle zu bekommen. Der Betreuer der Hunde lief herbei, diesmal mit panisch verzerrter Miene. Austin wollte ihm soeben die Leinen reichen, als er Razow und dessen zwei Leibwächter hinter dem Mann auftauchen sah.
»Wie ich sehe, haben Sie Sascha und Gorki bereits kennen gelernt«, stellte Razow mit freundlichem Lächeln fest. Er nahm Austin die Leinen ab und sagte etwas auf Russisch. Die Hunde gehorchten sofort und
Weitere Kostenlose Bücher