Flammendes Eis
Fischkutter sollte sie zu einem Forschungsschiff der National Underwater & Marine Agency bringen. Kapitän Kemal, der Eigentümer des Boots, wurde für den ganzen Tag angeheuert, kannte zudem den alten Stützpunkt und erklärte sich gern bereit, vor dem Rendezvous mit der
NUMA
einen Ausflug dorthin zu unternehmen. Kurz vor dem Ziel kam es jedoch zu einem Maschinenschaden, und der Kapitän wollte in den Hafen zurückkehren. Das Problem mit dem Motor sei ihm bereits bekannt, sagte er, und die Reparatur würde nur wenige Stunden dauern, sobald das Ersatzteil zur Verfügung stand. Kaela hingegen überredete ihn, sie und ihr Team abzusetzen und am nächsten Tag wieder einzusammeln. Mehmet, der Cousin des Kapitäns, bot daraufhin an, sie alle mit seinem Zodiac an Land zu bringen.
Nun näherten sie sich einem breiten Sandstrand, der allmählich zu einer Dünenkette anstieg. Die Wellen wurden höher und folgten dichter aufeinander, so dass Mehmet die Geschwindigkeit auf die Hälfte reduzierte. Der alte Russe hatte behauptet, der Stützpunkt liege unterirdisch, ganz in der Nähe einer ehemaligen Forschungsstation, und sie müssten nach verräterischen Luftschächten Ausschau halten. Kaela wischte das Wasser von ihrer Sonnenbrille, kniff die Augen zusammen und musterte die grasbewachsenen Hügel, doch sie konnte kein Anzeichen menschlicher Besiedlung entdecken. Die Gegend wirkte kahl und unwirtlich, und die Reporterin begann sich zu fragen, ob sie womöglich etwas zu übereifrig ans Werk gegangen war. Die Erbsenzähler bei
Unbelievable Mysteries
hatten es gar nicht gern, umsonst Geld auszugeben.
»Siehst du was?«, rief Lombardo über das Brummen des Außenbordmotors hinweg.
»Keine Reklametafeln, falls du
das
meinst.«
»Vielleicht ist das hier nicht die richtige Stelle.«
»Laut Kapitän Kemal ist sie es, und außerdem habe ich ja noch die Karte des Russen.«
»Wie viel hast du diesem Freizeitkünstler dafür bezahlt?«
»Hundert Dollar.«
Lombardo sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Ich möchte nicht wissen, wie oft er dieses Ding schon verkauft hat.«
Kaela deutete in Richtung Ufer. »Der erhöhte Fleck da drüben sieht vielversprechend aus.«
Plopp!
Kaela zuckte bei dem merkwürdigen Geräusch zusammen.
Dann entdeckte sie ein Stück rechts von ihrem Kopf ein ausgefranstes Loch in dem gummierten Gewebe. Sie dachte, infolge der starken Beanspruchung habe sich einer der vielen Flicken des Schlauchboots gelöst, und wandte den Kopf, um Mehmet davon in Kenntnis zu setzen – doch der Türke hatte sich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck aus seiner knienden Haltung erhoben und eine Hand vor die Brust gepresst. Dann sackte er zusammen, als hätte jemand die Luft aus seinem Körper abgelassen, und stürzte über Bord. Da niemand mehr die Ruderpinne hielt, stellte das Boot sich quer und wurde von einer Woge erfasst. Der Brecher hob den Rumpf steil empor; die nächste Welle ließ ihn umkippen und beförderte die Insassen ins Meer.
Kaela blickte auf einmal direkt in den Himmel; dann schlugen die Fluten über ihr zusammen. Das kalte Wasser war wie ein Schock. Sie ging ein Stück unter, und als sie spuckend wieder nach oben kam, war alles dunkel, denn sie befand sich unter dem gekenterten Boot. Sie tauchte nach draußen. Lombardos kahler Kopf tanzte auf den Wellen, dann kam auch Dundee wieder zum Vorschein.
»Seid ihr in Ordnung?«, schrie sie und schwamm ein Stück näher.
Lombardo spuckte den Zigarrenstummel aus. »Was, zum Teufel, ist passiert?«
»Ich glaube, Mehmet wurde erschossen.«
»
Erschossen?
Bist du sicher?«
»Er hat sich an die Brust gefasst und ist über die Bordwand gefallen.« Sie schwamm zur Vorderseite des Boots. Lombardo folgte ihr. »Hier ist die erste Kugel eingeschlagen, und gleich darauf wurde Mehmet von der zweiten erwischt.«
»Oje!«, sagte Lombardo und steckte einen Finger in das Loch.
»Der arme Kerl.«
Dundee gesellte sich zu ihnen, und dann trieben sie zu dritt nebeneinander im Meer und hielten sich an dem Boot fest. Sie beschlossen, nicht ans Ufer zu schwimmen, sondern sich möglichst wieder an Bord zu retten, wo Kemal sie finden würde.
Das Zodiac lag tief im Wasser, doch einige Kammern waren nicht beschädigt worden. Mehrere Male versuchten sie, das Boot umzudrehen, aber das Gewicht des Außenborders und die Schlüpfrigkeit des runden Gummiwulstes machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die Bemühungen kosteten viel Kraft, und die Wellen schoben sie immer
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