Flammendes Eis
mit einem zahnlosen Grinsen, das von einem Ohr zum anderen zu reichen schien. Dann gab er mehr Gas, so dass das Zodiac einen Wellenkamm übersprang und mit noch viel größerer Wucht wieder aufschlug. Kaela hielt sich gut fest und lachte vor lauter Vergnügen.
Die zwei Männer, die wie Würfel in einem Becher umhergeworfen wurden, waren weniger begeistert. Sie mussten sich mit aller Kraft festklammern, um nicht im Wasser zu landen, und jeder Aufprall ließ ihre Zähne aufs Neue zusammenschlagen. Keinen der beiden überraschte es, dass Kaela den Bootsführer anwies, die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Nach mittlerweile drei Monaten Zusammenarbeit hatten sie sich an die Verwegenheit der jungen Reporterin gewöhnt.
Mickey Lombardo, der älteste Angehörige dieses Teams der Fernsehserie
Unbelievable Mysteries
, war ein gebürtiger New Yorker von kleiner, stämmiger Statur, dessen kräftige Arme schon überall auf dieser Welt Ton- und Beleuchtungsausrüstung in alle möglichen Arten von Transportvehikeln gehievt hatten.
Die Zigarre zwischen seinen Zähnen war innerhalb weniger Sekunden nach Antritt der wilden Fahrt durch eine Welle gelöscht worden. Sein Assistent, Hank Simpson, stammte aus Australien und war ein blonder, muskulöser Beachboy, dem Lombardo den Spitznamen »Dundee« verpasst hatte.
Als sie erfuhren, dass sie mit der hinreißend aussehenden Berichterstatterin arbeiten würden, hatten die beiden Männer ihr Glück kaum fassen können. Das war, bevor Kaela sie durch eine dungverklebte Fledermaushöhle in Arizona geführt hatte, gefolgt von den Stromschnellen der grünen Hölle des Amazonas und der unerwünschten Störung einer Voodoo-Zeremonie auf Haiti. Für Lombarde stellte Kaela den lebenden Beweis eines alten Sprichworts dar: Überleg dir genau, was du dir wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen. Die junge Frau hatte sich als Kreuzung aus Amelia Earhart und Wonder Woman erwiesen, und das amouröse Interesse der Männer war im gleichen Maße geschwunden, wie ihr Respekt vor Kaelas Kühnheit gewachsen war. Inzwischen sahen sie die Reporterin nicht länger als potenzielle Eroberung, sondern als frühreife kleine Schwester an, die vor ihrem eigenen Übermut beschützt werden musste.
Auch Lombardo und Dundee waren alles andere als Mimosen.
Die Teammitglieder von
Unbelievable Mysteries
mussten körperlich fit, unnachgiebig auf die jeweilige Story fixiert und vorzugsweise gehirnamputiert sein. Folglich hatte die für einen Kabelsender produzierte Serie eine hohe Personalfluktuation und Verletzungsrate. Da es stets um hochgradig gefährliche Abenteuer ging, wurde den Mitarbeitern einiges abverlangt – oft standen sogar weniger die eigentlichen Themen als vielmehr die Unfälle und Missgeschicke des Teams im Mittelpunkt der einzelnen Folgen. Das alles war die logische Fortsetzung eines Sendekonzepts, das auf dem Erfolg von Reality-Shows wie
Survivor
und deren Ablegern basierte. Wenn ein Reporter oder Tontechniker ins Meer gespült oder von Kannibalen gehetzt wurde, kam das letztendlich der Story zugute. Solange ein Team keine teuren Ausrüstungsgegenstände verlor, war dem Management egal, wie riskant sich die Arbeitsbedingungen gestalteten.
Sie waren vor ein paar Tagen in Istanbul gelandet, um sich auf die Suche nach der Arche Noah zu machen. Es handelte sich dabei um ein abgedroschenes Klischeethema, das heutzutage selbst in den einschlägigen Revolverblättern auf die hinteren Seiten zu den Elvis-Sichtungen und dem Ungeheuer von Loch Ness verbannt wurde, also hielt Kaela von vornherein die Augen nach einer Alternativstory auf. Gleich am ersten Tag, während sie noch nach einem Fischkutter suchten, der sie aufs Schwarze Meer mitnehmen würde, kam die Reporterin in den Docks mit einem interessanten alten russischen Seemann ins Gespräch. Er hatte auf einem sowjetischen U-Boot gedient und erzählte ihr von einem verlassenen Marinestützpunkt. Nachdem sie seiner Aufforderung nachgekommen war und seinem schwachen Gedächtnis mit einer kleinen Spende auf die Sprünge geholfen hatte, zeichnete er ihr sogar eine grobe Wegskizze, laut derer die Basis in einem entlegenen Winkel des Schwarzen Meeres lag.
Als Kaela ihren Kollegen aufgeregt von diesen neuen Erkenntnissen berichtete, machten sie sich sogleich daran, einen entsprechenden Abstecher zu planen. Falls die Suche nach der Arche Noah kein Resultat erbrachte, was relativ wahrscheinlich war, konnte die sowjetische U-Boot-Basis als Ersatzthema dienen.
Der
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