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Flammendes Eis

Flammendes Eis

Titel: Flammendes Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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zu einem Dutzend gleichartiger Räume im neunten Stock des labyrinthischen Landwirtschaftsgebäudes, eines hohen grauen Monuments der banalen sozialistischen Architektur. Auf der Tür stand in kleinen Buchstaben SIBIRISCHE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG.
    Petrow bekam nur selten Besuch. Wenn sich doch einmal eine verlorene Seele hierhin verirrte, erfuhr sie lediglich, dass die sibirische Schädlingsbekämpfung an einen anderen Ort umgezogen sei.
    Ungeachtet der spartanischen Umgebung verfügte Petrow in der russischen Regierung über großen Einfluss, und der Schlüssel dazu lag in seiner Anonymität begründet, die ihn niemals ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte. Er konnte sich noch gut an früher erinnern, als die
Prawda
anlässlich der Paraden am ersten Mai stets pflichtgetreu Fotos der sowjetischen Führungsriege am Lenin-Mausoleum gedruckt hatte. Jede noch so leise Anspielung darauf, dass einer der dort Versammelten eventuell die Nachfolge des gerade regierenden Tyrannen anstrebte, zog die Liquidierung des betreffenden Pechvogels nach sich. Petrow verstand es meisterhaft, mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Er war das bürokratische Gegenstück eines Gestaltwandlers, eines Sagenwesens, das die eigene Erscheinungsform nach Belieben wechseln konnte. Dank seiner Fähigkeit, undefinierbar zu bleiben, hatte er drei Premierminister und zahllose Mitglieder des Politbüros überlebt.
    Schon seit vielen Jahren existierte kein aktuelles Foto von ihm, und die Bilder in seiner Personalakte waren Porträts von Verstorbenen. Er widerstand allen Bemühungen, ihm ein Amt oder einen Titel zu verleihen. In den diversen Inkarnationen seiner langen Karriere war er immer nur ein einfacher
Berater
geblieben.
    Um die Fassade aufrechtzuerhalten, verbarg Petrow seine athletische Statur unter einem der ausgebeulten langweiligen Anzüge, die den gesichtslosen grauen Männern des Kreml schon seit langem als Uniformen dienten. Sein grau meliertes Haar hing ihm über den billigen Hemdkragen, als könnte er sich keinen regelmäßigen Friseurbesuch leisten. Die Gläser im Metallgestell seiner Brille waren aus Fensterglas und sollten ihm einen professorenhaften Anschein verleihen. Jede Verkleidung stieß jedoch irgendwo an Grenzen. Er konnte seine Narbe verbergen, doch kein noch so ausgefeilter Trick vermochte über die lebhaft funkelnde Intelligenz im Blick seiner schieferblauen Augen hinwegzutäuschen, und sein markantes Profil zeugte von rücksichtsloser Entschlossenheit.
    Der Anrufer war ein ernster junger Mann namens Aleksej, den Petrow persönlich als Agenten angeworben hatte. »Es gibt eine neue Entwicklung im Süden«, sagte er und versuchte gar nicht erst, seine Aufregung zu verbergen.
    Sie hatten sich angewöhnt, immer erst per grober Himmelsrichtung anzuzeigen, aus welcher Ecke des alten Sowjetreichs Ärger drohte, ob nun Anschläge, Morde, Aufstände oder politische Unruhen. Im ersten Moment glaubte Petrow, es gäbe wieder einmal unerfreuliche Neuigkeiten aus der Republik Georgien zu berichten.
    »Fahren Sie fort«, sagte er unwillkürlich.
    »Ein amerikanisches Schiff hat heute im Schwarzen Meer unbefugt russische Hoheitsgewässer verletzt.«
    »Was für ein Schiff?«, fragte Petrow und machte keinen Hehl aus seiner Gereiztheit. Er hatte weitaus wichtigere Angelegenheiten im Kopf.
    »Ein Forschungsschiff der National Underwater & Marine Agency.«
    »Die
NUMA?«
Petrows Finger schlossen sich fester um den Hörer. »Weiter«, sagte er und bemühte sich, möglichst ruhig zu klingen.
    »Laut unserer Beobachter handelt es sich um die
Argo
. Ich habe die Genehmigungen überprüft. Das Schiff darf nur auf offener See tätig werden. Es wurde ein Funkwechsel mit einem Flugzeug aufgefangen. Der Pilot kündigte an, er wolle in den russischen Luftraum vordringen.«
    »Hat er denn letztendlich unsere Grenze überquert?«
    »Das wissen wir nicht, Sir. Es gab kein Radarecho.«
    »Tja, es scheint hier nicht unbedingt um eine Invasion zu gehen, Aleksej. Sollte man diese Angelegenheit nicht eher mit dem amerikanischen Außenministerium klären?«
    »Nicht in diesem Fall, Sir. Das Flugzeug hat mehrmals seine Position genannt, so dass wir den Kurs nachvollziehen konnten.
    Es befand sich in der Nähe von Zone Drei Einunddreißig, als der Pilot das Schiff bat, ihm zu folgen.«
    Petrow stieß einen stummen Fluch aus. »Sind Sie sich in diesem Punkt absolut
sicher

    »Ja, Sir, absolut.«
    »Wo befindet sich das NUMA-Schiff jetzt?«
    »Unsere Küstenwache

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