Flammendes Eis
dem Containerschiff hinunter. Das Loch des Torpedotreffers ermöglichte ihnen einen relativ einfachen Zugang ins Innere, und die beiden Atomsprengköpfe wurden nach draußen geschafft. Es gab ein paar heikle Momente, als die Strömung an dem Hebekabel zerrte, aber sie arbeiteten in mehreren Schichten und erledigten den Auftrag in weniger als vierundzwanzig Stunden. Petrow gab den Befehl zum Rückzug und ließ die Amerikaner davon unterrichten. Die beiden Schiffe fuhren im Abstand von einigen Hundert Metern in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei. Petrow stand an Deck und schaute mit einem Fernglas zu den anderen herüber. Dort entdeckte er einen kräftigen Mann mit grauem Haar, der wiederum ihn beobachtete. Einmal ließ der Amerikaner das Fernglas sinken und winkte. Petrow ignorierte ihn.
Ihre nächste Begegnung verlief weniger freundlich. Über dem Persischen Golf war unter mysteriösen Umständen eine Verkehrsmaschine der Fluglinie eines Entwicklungslands abgeschossen worden. Die nationalen Psychosen des Kalten Kriegs wurden vornehmlich durch Paranoia geprägt, und so verdächtigten beide Seiten sich aus ebenso vagen wie weit hergeholten Gründen gegenseitig der Mittäterschaft. Auch diesmal machten Petrow und Austin das Flugzeug gleichzeitig aus. Petrows Schiff ging auf Kollisionskurs und drehte erst in letzter Sekunde ab, so dass Austin die schwer bewaffneten Männer an Deck sehen konnte. Austin meldete sich über Funk und forderte den Russen auf, seine Fahrkenntnisse zu verbessern, weil er andernfalls einen Strafzettel erhalten würde.
Außerdem lehnte er es strikt ab, sich zurückzuziehen. Ein internationaler Zwischenfall konnte nur deshalb vermieden werden, weil plötzlich Schiffe aus dem Heimatland des Flugzeugs auftauchten und das Wrack erfolgreich für sich beanspruchten.
Während die rivalisierenden Parteien sich voneinander entfernten, schickte Austin per Funk einen Abschiedsgruß.
»Alles Gute, Iwan. Bis zum nächsten Mal.«
Der junge Petrow war leicht reizbar, und dieser arrogante Amerikaner ging ihm fürchterlich auf die Nerven. »Hoffen Sie lieber, dass es nie dazu kommt«, antwortete er eisig und unverblümt. »Das Resultat dürfte für keinen von uns beiden erfreulich ausfallen.«
Acht Monate später sollte Petrows Vorhersage sich bewahrheiten.
Während des Kalten Kriegs betrieben die Vereinigten Staaten eine verwegene Geheimoperation, die erst viele Jahre später enthüllt und dann von einem der Berichterstatter
Blind Man’s Bluff
getauft wurde. Hauptdarsteller dieses gewagten Spiels waren einige unerschrockene U-Boot-Kommandanten und ihre Besatzungen, die bis auf wenige Meilen an die sowjetische Küste vordrangen, um dort nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln. Eine der Aktionen beinhaltete die Installation einer elektronische n Lauschvorrichtung, um die am Meeresgrund verlegten Telefonkabel abhören zu können.
In seinem schmucklosen Moskauer Büro zündete Petrow sich nun eine der dünnen Havannazigarren an, die exklusiv für ihn gefertigt wurden, und stieß eine Rauchwolke aus. In Gedanken reiste er durch die Zeit zurück und sah in den grauen Tabakschwaden zugleich auch die Morgennebel, die über der dunklen kalten Oberfläche der Barentssee hingen, während sein Schiff mit voller Kraft voraus durch das Wasser schoss.
Er war nach Moskau gereist, um einem strategisch platzierten Apparatschik, der immerfort über das knappe Budget klagte, zusätzliche Mittel für neue Ausrüstung zu entlocken. Einer seiner Assistenten hatte sich gemeldet und ihm berichtet, man habe eine sonderbare Funknachricht aufgefangen, die von einem unbekannten Schiff dicht vor der russischen Küste stammte. Die kodierte Botschaft war sehr kurz, als hätte der Absender sich in großer Eile befunden, und die sowjetische Dechiffrierabteilung arbeitete derzeit an der Entschlüsselung. Der Grund für einen solch riskanten Funkspruch konnte nur ein Notfall sein, dachte Petrow, während der Bürokrat ihn weiterhin mit leerem Gewäsch überschüttete. Er wusste durchaus, dass amerikanische U-Boote bis in die Barentssee vorgedrungen waren. Steckte eines davon womöglich in Schwierigkeiten?
Er brach das Treffen ab und nahm das nächste Flugzeug nach Murmansk, wo sein Forschungsschiff vor Anker lag. Neben aller wissenschaftlichen Ausrüstung befanden sich Wasserbomben, Geschütze und eine geschulte Mannschaft aus Marineinfanteristen an Bord. Als sie ausliefen, war der Kode bereits geknackt. Die Nachricht
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