Flammendes Eis
Präsident war hier im Weißen Haus als der eifrigste Händeschüttler seit Lyndon Johnson bekannt.
»Herzlich willkommen, Admiral«, sagte Wallace. »Danke, dass Sie so kurzfristig für uns Zeit hatten.« Er bearbeitete Sandeckers Arm wie einen Pumpenschwengel, so als würde er auf einem Kirchenbasar um Wählerstimmen werben. Es gelang dem Admiral, sich aus dem Griff des Präsidenten zu lösen und eine eigene Charme-Offensive zu starten. Er umrundete den Tisch, begrüßte jeden der Männer mit Vornamen und erkundigte sich nach Frau und Kindern oder der letzten Golfpartie. Vor allem freute er sich, seinen Freund Erwin LeGrand zu sehen, den hageren, an Abraham Lincoln erinnernden Direktor der CIA.
Der Leiter der NUMA war kaum größer als einen Meter sechzig, und doch füllte seine Anwesenheit den Saal mit der Energie reinen Testosterons aus. Der Präsident spürte, dass Sandecker ihn in den Schatten stellte. Er nahm den Admiral beim Ellbogen und führte ihn zu einem Stuhl an dem langen Konferenztisch.
»Wir haben den Ehrenplatz für Sie freigehalten.«
Sandecker saß zur Linken des Präsidenten und wusste, dass dies kein Zufall war, sondern ihm schmeicheln sollte. Trotz der leutseligen Art, die ihn bisweilen wie den Schauspieler Andy Griffith klingen ließ, war Wallace ein gewiefter Politiker.
Rechts neben ihm saß wie immer Vizepräsident Sid Sparkman.
Wallace nahm ebenfalls Platz und grinste. »Ich hab den Jungs hier gerade davon erzählt, wie mir neulich mal einer entwischt ist. Bei meinem letzten Ausflug in den Westen hatte ich den Großvater aller Forellen am Haken, beinahe so fett wie ein Wal.
Meine Angelrute ist glatt in der Mitte durchgebrochen.
Wahrscheinlich wusste der alte Knabe nicht, dass er es mit dem Oberkommandierenden der USA zu tun hatte.«
Die Männer am Tisch quittierten den Scherz mit lautem Gelächter, und am lautesten von allen lachte der Vizepräsident.
Sandecker schmunzelte pflichtschuldig. Seitdem er die Leitung der NUMA übernommen hatte, war er mit den Amtsinhabern im Weißen Haus stets gut zurechtgekommen. Jeder Präsident, mit dem er zusammenarbeitete, respektierte ungeachtet der eigenen politischen Überzeugung Sandeckers Einfluss in Washington und die zahllosen guten Kontakte zu Universitäten und Firmen überall im Land und auf der Welt. Der Admiral war nicht bei jedermann beliebt, aber sogar seine Gegner bewunderten seine absolute Rechtschaffenheit.
Sandecker und Sparkman lächelten sich an. Der Vizepräsident war einige Jahre älter als Wallace und hatte im Weißen Haus den Status einer grauen Eminenz, die, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr, zahlreiche Fäden zog und ihre machiavellistischen Intrigen und knallharten Methoden hinter einer gutmütigen Fassade verbarg. Der einstige College-Footballspieler war ein Selfmade-Millionär. Sandecker wusste, dass Sparkman den Präsidenten insgeheim dafür verachtete, dass dieser sein Vermögen und die guten Beziehungen lediglich geerbt hatte.
»Gentlemen, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir uns nun dem Geschäftlichen zuwenden«, sagte der Präsident, der mit seinem karierten Hemd, dem blauen Blazer und der khakifarbenen Freizeithose recht leger gekleidet war. »Die
Air Force One
steht voll getankt bereit, um mich nach Montana zu bringen, damit ich mir noch mal diese Forelle vorknöpfen kann.« Er sah übertrieben deutlich auf die Uhr. »Der Außenminister wird Ihnen zunächst einen Überblick über den Sachverhalt geben.«
Ein schlaksiger, falkengesichtiger Mann, dessen weißes Haar so sorgfältig frisiert war, dass es einem Helm glich, sah sich mit stechendem Blick in der Runde um. Nelson Tingley kam Sandecker manchmal wie eine Karikatur seiner selbst vor. Als Senator hatte der Mann gute Arbeit geleistet, aber der Kabinettsposten war ihm zu Kopf gestiegen, und mittlerweile sah Tingley sich gern als engsten Vertrauten des Präsidenten. In Wahrheit drang er jedoch nur selten bis zum Ohr von Wallace vor, weil er sich immer zuerst an Sparkman wenden musste. Aus diesem Grund neigte er dazu, sich bei jeder denkbaren Gelegenheit übermäßig in Szene zu setzen.
»Danke, Mr. President«, sagte er mit dieser sonoren Stimme, die jahrelang durch die Gänge des US-Senats gehallt war. »Ich bin sicher, die anwesenden Gentlemen wissen, wie ernst die derzeitige Lage in Russland ist. Innerhalb der nächsten paar Wochen, möglicherweise auch nur Tage, müssen wir mit dem Sturz des legal gewählten Präsidenten des Landes
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